Man habe im Vorjahr vielen Flüchtlingen geholfen, worauf man auch stolz sei, betonte der Parteivorsitzende am Wiener Rathausplatz. Allerdings habe es in der Folge auch Gesetze und Maßnahmen gebraucht, die "Ordnung und Menschlichkeit" brächten, bemühte sich Faymann bei den insgesamt rund 80.000 erschienenen Genossen um Verständnis für die kürzlich vorgenommenen Asylgesetzverschärfungen der Regierung.

Der diesbezügliche Erfolg hielt sich allerdings in Grenzen. Faymanns rund fünfminütige Rede, in der er gegen Ende "die, die kritisieren und die, die unterstützen" um einen "gemeinsamen Weg" bat, wurde durchgehend von einem lauten Pfeifkonzert und Buhrufen sowie hochgehaltenen "Rücktritt"-Taferln begleitet. Der Moderator der Veranstaltung sah sich gar genötigt, die Protestaktivisten um Fairness gegenüber dem "Genossen Faymann" zu bitten. Schilder mit "Werner, der Kurs stimmt!" signalisierten indes Unterstützung für den Parteichef.

Wiens Bürgermeister und Landesparteivorsitzender Michael Häupl betonte die Notwendigkeit einer inhaltlichen Diskussion statt "vordergründiger Personaldebatten". Während Häupls Rede verstummten die Protestäußerungen. Einen Zwischenrufer fertige der Stadtchef mit den Worten "Hör mir zu und plärr net umadum" ab. Angesichts der Stärke der FPÖ müsse man sich auch die Frage stellen: "Wie halten wir's denn mit dieser Freiheitlichen Partei?" Wobei Häupl gleich klarstellte, dass es "unzählige Gründe gibt, keine Regierungszusammenarbeit mit dieser Freiheitlichen Partei zu machen" - was dem Bürgermeister kräftigen Applaus einbrachte.

Häupl äußerte zudem eine klare Wahlempfehlung für den grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen. Denn jemand, der "ein gestörtes Verhältnis" zu Österreich habe, könne nicht gewählt werden: "Das ist mit den Werten der Sozialdemokratie unvereinbar."

Mit Pfiffen sah sich kurzzeitig auch ÖGB-Präsident Erich Foglar konfrontiert. Er hatte jüngst angeregt, über das strikte Nein im Umgang mit den Blauen nachzudenken. Wobei Foglar ebenfalls seine Unterstützung für Van der Bellen kundtat. Zudem zeigte er sich kämpferisch hinsichtlich der Anliegen der Arbeiter, erteilte Kürzungs- und Deckelungsplänen der ÖVP in Sachen Mindestsicherung eine Absage und freute sich über die Anfang 2016 in Kraft getretene Steuerreform.

Nach den lautstarken Unmutsbekundungen inklusive Rücktrittsaufforderungen denkt Kanzler und SPÖ-Parteichef Werner Faymann indes nicht an Rückzug. "Kritik muss man aushalten und ernst nehmen, aber der Kurs ist richtig", sagte Faymann in einem Interview mit der APA und dem ORF am Sonntag.

Als Kanzler gehe es nicht darum, "es jedem Recht zu machen", sondern aus Überzeugung zu handeln, so der SPÖ-Vorsitzende angesprochen auf die Buhrufe und Pfiffe während seiner Rede. Er vertrete in der Flüchtlingsfrage einen Standpunkt, "den viele nicht wollen", und diese hätten eben ihren Unmut auch zum Ausdruck gebracht. Die Linie stimme aber. Teile seiner Partei sähen das anders - aber: "Das ist erlaubt." Die SPÖ sei schließlich eine Partei mit großer Breite.

Über Rücktritt will Faymann nicht nachdenken: "Ein Bundeskanzler, der sich von kritischen Diskussionen zurückdrängen lässt, hätte erst gar nicht Bundeskanzler werden sollen." Auch der schon wiederholt geforderten Vorverlegung des für November anberaumten Parteitags - hier hofft Faymann auf Bestätigung als SPÖ-Chef - will der Bundesvorsitzende nicht nachkommen. Überhaupt gelte es Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren. "Wir haben nichts davon, wenn wir das unter den Teppich kehren und das stattdessen in eine Personaldiskussion umwandeln." Denn "Abputzen, egal auf wen, ist keine Lösung".

Die Strategiedebatte müsse allerdings respektvoll geführt werden. "Wenn man pfeift, kann man nicht zuhören", richtete Faymann den lautstarken Kritikern aus. Außerdem habe er heute auch zahlreiche Unterstützungsbekundungen vernommen, versicherte der Kanzler. Am Ende werde eine Mehrheit Entscheidungen treffen, und an diese müsse sich dann auch die Minderheit halten, so Faymann. Was die Frage der Lockerung des Nein in Sachen Kooperation mit der FPÖ anbelangt, bekräftigte der SPÖ-Chef seine Ablehnung. Er sei gegen Rot-Blau, mit ihm werde es das nicht geben.