Die Regierungsspitze sprach sich im Hohen Haus vehement für Solidarität gegenüber Flüchtlingen aus und erteilte Hetze in der Asylpolitik eine Absage. Dass Gemeinden künftig Asylwerber im Ausmaß von 1,5 Prozent der Bevölkerung aufnehmen sollen, ist für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zumutbar. Kanzler Werner Faymann hofft, dass man die Quote gar nicht brauchen wird.

Die Sondersitzung stand ganz unter dem Eindruck der Tragödie auf der A4, bei der vergangene Woche 71 Flüchtlinge in einem Schlepper-Lkw erstickt waren. Den Opfern wurde zu Beginn der Sitzung eine Gedenkminute gewidmet. Kanzler Faymann stellte in seiner Erklärung klar, dass Österreich die Entscheidung zu treffen habe, "ob wir Kriegsflüchtlinge, die um ihr Leben laufen, mit Stacheldraht oder mit menschlichen, ordentlichen Quartieren empfangen". Was dabei zu tun ist, liegt für den SPÖ-Chef auf der Hand: "Wir werden zeigen, dass jedes Menschenleben etwas wert ist."

Faymann unterstrich ferner, dass man sich nicht von Schleppern das gemeinsame Europa zerstören lassen werde. Es dürfe in der EU nicht so weit kommen, dass überall Mauern mit Wachtürmen entstünden. Notwendig wäre es für den Regierungschef, die Asylwerber in Europa fair zu verteilen. Klar sei, dass nicht jene Länder, wo die Flüchtlinge als erstes in der EU ankämen, diese alleine unterbringen müssten. Für eine bessere Aufteilung gelte es nun mit Überzeugungsarbeit aber auch Druck zu arbeiten.

Was die Verteilung in Österreich angeht, die durch das heute eingebrachte Durchgriffsrecht des Bundes fairer werden soll, meint Faymann: "Das Beste wäre, wenn wir das Durchgriffsrecht gar nicht erst benötigen, weil die Bundesländer die Quote erfüllen und das rechtzeitig und zu 100 Prozent."

Dass die Gemeindequote mit 1,5 Prozent zu hoch sei, wies Vizekanzler Mitterlehner scharf zurück. So etwas zu behaupten, sei eine "Beleidigung unserer humanitären Tradition", meinte der ÖVP-Obmann vor allem mit Blick auf freiheitliche Propaganda. Diese Zahl sei zumutbar und "damit beeinträchtigen wir unseren "Wohlstand überhaupt nicht", versicherte der Vizekanzler.

Überhaupt distanzierte sich der ÖVP-Chef deutlich von den Freiheitlichen, ohne diese namentlich zu nennen. Mitterlehner warb für einen wertschätzenden Umgang und tadelte etwa den Ausdruck "Wirtschaftsflüchtling". Dieser passe wohl nicht für jemanden, der sein Leben riskiere, um nach Europa zu kommen und dann in einem Auto ersticke. Bei den Flüchtlingen handle es sich um keine Menschen zweiter oder dritter Klasse. Was gelte, sei der erste Artikel der Erklärung der Menschenrechte: "Jeder Mensch ist an Rechten und Würde gleich." Es sei genug des Sterbens und genug der Schuldzuweisung, befand Mitterlehner. Statt Panikmache brauche es eine gemeinsame Vorgangsweise, sowohl in Österreich als auch in Europa.

Beim Durchgriffsrecht, einer Verfassungsbestimmung, die auch von den Grünen unterstützt wird, geht es im Wesentlichen darum, dass der Bund in säumigen Gemeinden Flüchtlingsquartiere errichten kann, egal ob das den Kommunen passt oder nicht. Als Zielwert wird ein Flüchtlingsanteil pro Gemeinde von 1,5 Prozent angenommen. Dieser kann von der Regierung per Verordnung aber auch erhöht werden, sollten entsprechende Flüchtlingsströme das notwendig machen.

Der Bund soll die Möglichkeit haben, die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder ersatzweise vorzunehmen und Grundstücke, die in seinem Eigentum oder zur Verfügung stehen, entsprechend zu nutzen. Bewilligungen der lokalen Behörden in Sachen Bau und Raumordnung braucht es laut dem Gesetz nicht.

Gearbeitet wird an sich mit einer Gemeindequote. Allerdings können Kommunen innerhalb eines Bezirks auch einen anderen Verteilungsschlüssel finden, sofern so die nötige Zahl an Unterbringungsmöglichkeiten erreicht wird.

Errichtet der Bund in säumigen Gemeinden bzw. Bezirken Unterkünfte, dürfen in diesen nicht mehr als 450 hilfs- und schutzbedürftige Asylwerber untergebracht werden. Stehen gleichwertige Grundstücke in mehreren in Betracht kommenden Gemeinden zur Verfügung, sind vorrangig solche in Kommunen zu nutzen, deren Einwohnerzahl 2.000 übersteigt. Freilich ist das Gesetz befristet und zwar von 1. Oktober dieses Jahres bis 31. Dezember 2018.

Der zweite Initiativantrag, der heute auf den Weg gebracht wird, betrifft das Schlepperwesen. Konkret geht es darum, Schlepper leichter in U-Haft nehmen zu können. Bisher galt ein dafür nötiger höhere Strafrahmen erst ab zehn geschleppten Personen. Dieser Wert wird nun auf drei reduziert. Erfüllt jemand diesen Tatbestand, kann gegen ihn eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren verhängt werden.