Das Thema Flüchtlinge und der Umgang mit ihnen in Europa ist am Montagabend bei einem Podiumsgespräch in Alpbach kontroversiell diskutiert worden. Mehrfach gab es aus dem Publikum Protest, vor allem nach Äußerungen des früheren SPD-Politikers Thilo Sarrazin.

Sarrazin meinte, man müsse das Thema Einwanderung vom Thema Asyl trennen. "Diejenigen, die wir jetzt als Flüchtlinge bei uns unterbringen, sind nicht unbedingt Einwanderer." Die Unterbringung von Flüchtlingen sei "immer etwas, das vorübergeht, und es ist immer etwas, was nahe an den Kriegsgebieten erfolgt oder erfolgen sollte". Der Buchautor betonte zudem nach Kritik an Äußerungen seinerseits auf dem Podium, er habe eine "klare Sprache, aber sie ist immer gewaltfrei".

Der Bürgermeister der nordirakischen Stadt Erbil, Nihad Qoja, sagte in der Diskussion, er verstehe die Aufregung in Europa über die Flüchtlinge nicht: "Wir reden vielleicht über 200.000 Leute." Gleichzeitig seien Milliarden Euro nach Griechenland geflossen, um das Land vor dem Bankrott zu retten. In der irakischen Kurdenregion sei man plötzlich mit 1,8 Millionen Flüchtlingen konfrontiert gewesen - bei 5,5 Millionen Einwohnern. Qoja appellierte an die europäischen Länder, hier auch Unterstützung zu leisten.

Der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner sagte, von den rund 80.000 für heuer erwarteten Asylanträgen in Österreich würden nicht alle positiv beschieden werden, es gehe in Wirklichkeit um eine "überschaubare Zahl von Menschen". Im Zuge der Ungarn-Krise habe Österreich 160.000 Menschen aufgenommen, infolge des Bosnien-Krieges 90.000. Es sei "offenbar keine Frage des Könnens, sondern eine Frage des Wollens". Wenn es eine Solidaritätskrise gebe, dann bestehe diese auf politischer Ebene. "In der Bevölkerung kann ich das nicht bestätigen", sagte Schwertner mit Verweis auf die Hilfe aus der Bevölkerung in Traiskirchen.

Julian Lehmann vom Global Public Policy Institute in Berlin unterstrich, dass sich Migration in Europa nicht auf Flüchtlinge reduzieren lasse. Zur Debatte über die Dublin-Regelung und eine Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen in der EU hielt er fest, er sei kein Freund von Dublin. "Aber wir müssen auch aufpassen, dass die Quote nicht irgendwas erzeugt, was schlechter ist als Dublin."

Die Filmemacherin Nina Kusturica, die als 17-Jährige während des Bosnien-Krieges nach Österreich gekommen ist und sich auch in ihrer filmerischen Tätigkeit mit dem Thema Flucht auseinandergesetzt hat, schilderte, dass sie sich angesichts der aktuellen Situation von Flüchtlingen manchmal denke, "was für ein Glück wir hatten, unterwegs keiner Gefahr ausgesetzt zu sein".