Nachkommen von türkischen Migranten aus niedrigeren Bildungsschichten haben es laut einer Studie im österreichischen Bildungssystem deutlich schwerer als in Schweden oder Frankreich. Das liegt laut der Analyse des Sozialwissenschafters Philipp Schnell daran, dass ihnen ihr Elternhaus durchschnittlich weniger Unterstützung bieten kann, dieser Support aber gerade in Österreich oft entscheidend ist.

Familien in der Pflicht

"Wesentlich ist die Intensität der Wechselwirkung zwischen den Strukturen des Schulsystems und familiären Ressourcen sowie der Zeitpunkt, zu dem diese Interaktion beginnt. Im österreichischen Bildungssystem wird sie früher als in anderen Ländern notwendig", erklärte Schnell heute, Dienstag, in einer Aussendung. In anderen Ländern beginne etwa der gesetzliche Eintritt in vorschulische Einrichtungen früher. Dadurch seien die Eltern weniger lange allein für das Lernen eines Kindes verantwortlich.

Ein zweiter wichtiger Punkt sei die Zeitspanne, die Kinder und Jugendliche an Schulen verbringen. Aufgrund des in Österreich noch weit verbreiteten Halbtagssystems ist dieser Zeitraum im Vergleich zu Frankreich und Schweden kürzer. Das erhöht wiederum die Bedeutung der Unterstützung am Nachmittag. Aufgrund des oftmals niedrigen Bildungsniveaus der Eltern kann die notwendige Betreuung in türkischen Familien teilweise nicht ausreichend geleistet werden, heißt es.

Türkische Kinder fast überall benachteiligt

"Auch der Zeitpunkt, zu dem über den weiteren Bildungsweg entschieden wird, hat großen Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder. In Österreich ist dieser sehr früh. Der Einfluss der Eltern und ihrer Bildungsgeschichte ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr groß", meinte Schnell, der sein Forschungsprojekt mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF am Institut für Stadt- und Regionalforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) durchgeführt hat.

Dass Nachkommen türkischer Migranten im Bildungsbereich in vielen Ländern Europas Benachteiligung erfahren, sei bereits bekannt gewesen. Die Gründe dafür konnte der Forscher nun anhand von Daten aus einer umfassenden europäischen Studie aus den Jahren 2007 und 2008 zur Integration von Migranten der zweiten Generation (TIES-Studie), gepaart mit einer detaillierten Betrachtung der drei nationalen Bildungssysteme, analysieren. Es zeige sich zwar, dass der Bildungsstand der Kinder noch immer am stärksten von dem der Eltern beeinflusst wird. Die von ihm nun auch in einem Buch veröffentlichten Erkenntnisse verdeutlichen aber auch den Einfluss bildungspolitischer Rahmenbedingungen.