Die Sachverständige Gabriele Wörgötter beschreibt in ihrer Expertise den Jugendlichen als einen grundsätzlich intelligenten jungen Mann, der weder an einer schweren seelischen Störung oder einer geistigen Abartigkeit leidet. Infolge der damit gegebenen Zurechnungsfähigkeit ist ihrer Ansicht nach kein Schuldausschließungsgrund zu beachten. Allerdings hält Wörgötter es für wahrscheinlich, dass bei dem Lehrling infolge teilweise traumatischer Erlebnisse im syrischen Kriegsgebiet eine psychische Beeinträchtigung vorliegt.

Die Expertin empfiehlt eine engmaschige Betreuung des 16-Jährigen, zumal dieser typische Persönlichkeitsmerkmale eines "Heimkindes" aufweise. Der Jugendliche tue sich schwer, Bindungen einzugehen, suche nach Halt und Anerkennung und sei bestrebt, Bestätigung von außen zu erfahren, so Wörgötter. Bei einer allfälligen Enthaftung rät die Sachverständige dazu, den 16-Jährigen in ein absicherndes soziales Netz einzubinden und dafür zu sorgen, dass diesem ein struktureller Tagesablauf - auch in Form eines Beschäftigungsverhältnisses - ermöglicht wird.

Die Voraussetzungen dafür könnten in einer "Sozialnetzkonferenz" geschaffen werden, die der zuständige Haft- und Rechtsschutzrichter in die Wege geleitet hat. Unter Einbindung von Sozialarbeitern, des Jugendamts, und Mitarbeitern des Vereins Neustart soll ein Maßnahmenkatalog erarbeitet werden, an dem sich der 16-Jährige zu orientieren hätte, sollte er auf freien Fuß gesetzt werden.

Sobald dieser Katalog vorliegt, will Verteidiger Werner Tomanek, der Rechtsbeistand des Burschen, einen Enthaftungsantrag einbringen, wie er am Freitag gegenüber der APA erklärte. Nächster regulärer Haftprüfungstermin wäre Anfang Juli.

Der Lehrling war im vergangenen August ins syrische Bürgerkriegsgebiet aufgebrochen und hatte sich dem bewaffneten Jihad angeschlossen. Bei der Schlacht um die nordsyrische Stadt Kobane wurde er seiner Aussage zufolge vom IS als Rettungsfahrer eingesetzt. Nicht zuletzt unter dem Eindruck von lebensgefährlichen Verletzungen, die er bei einem Bombenangriff auf Raqqa erlitt, entschloss sich der Bursch zur Rückkehr nach Wien, wo im Oktober ein internationaler Haftbefehl erlassen worden war. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen den Burschen unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Ausbildung für terroristische Zwecke und Aufforderung zu terroristischen Straftaten.