Der vorsitzende Richter Andreas Böhm machte den Mann darauf aufmerksam, dass er verpflichtet sei, die Wahrheit zu sagen. Als dieser daraufhin wiederholt Feststellungen zu Protokoll gab, die er bei seiner Einvernahme durch die Wiener Staatsanwältin Bettina Wallner im Jahr 2012 noch nicht geliefert hatte und Aliyev stärker als zuvor belastete, drohte ihm Böhm mit Konsequenzen: "Ich habe die Möglichkeit, ihn in Haft zu nehmen, wenn er nicht die Wahrheit sagt."

Der Mann war seit 1997 für Aliyev tätig, unter anderem als Inspektor für die Wirtschafts- und Finanzabteilung der Stadt Almaty. Weil er an der Entführung der beiden Banker am 31. Jänner 2007 beteiligt und bei ihrer Misshandlung dabei gewesen sein soll, wurde er nach einer kurzzeitigen Flucht nach Usbekistan, wo er im Juni 2007 festgenommen und noch am selben Tag nach Kasachstan ausgeliefert wurde, in seiner Heimat zu einer 15-jährigen Freiheitsstrafe unter strengen Haftbedingungen verurteilt.

Seinen Angaben zufolge wurden ihm in weiterer Folge fünf Jahre erlassen, nachdem er sich entschieden hatte, mit den kasachischen Behörden zu kooperieren. So trat der 51-Jährige im Verfahren gegen Aliyev, den ehemaligen Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, als Belastungszeuge auf.

Dabei erzählte der 51-Jährige, er sei am 31. Jänner 2007 von Alivey in die Nurbank bestellt worden. Dort habe er zunächst den Bankmanager Khasenov - nur mit einer Unterhose bekleidet und mit gerötetem Gesicht - in einem Zimmer angetroffen: "Links oder rechts am Knie tröpfelte es Blut." Khasenov habe gebeten, man möge ihn in Ruhe lassen und er werde "alles unterschreiben".

Khasenov habe bestritten, Geld aus der Nurbank unterschlagen zu haben, was Aliyev ihm vorwarf, so der Zeuge. Den laut Anklage in den Räumlichkeiten der Bank ebenfalls anwesenden Nurbank-Vorstand Zholdas Timraliyev, den Aliyev ebenfalls zur Rede gestellt haben soll, nachdem er diesen der Anklage zufolge bereits am 19. Jänner 2007 für rund 24 Stunden verschleppt, misshandelt und unter Druck gesetzt hatte, habe er nicht wahrgenommen, sagte der Zeuge.

Mit einer Schilderung des Charakters von Aliyev ging die stundenlange Befragung des 51-jährigen Zeugen zu Ende. Aliyev sei eine charismatische Persönlichkeit gewesen und habe sich selbst genügt, bemerkte sein ehemaliger Mitarbeiter. In für ihn krisenhaften Situationen habe er sich nicht gescheut, "grausame und brutale Maßnahmen zu ergreifen". Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.

Aliyev, bei Nasarbajew mittlerweile in Ungnade gefallen, wurde vorgeworfen, die Banker verschleppt und nach mehrtägiger Gefangenschaft umgebracht zu haben, weil er ihnen unterstellte, Vermögen aus der Nurbank, an der Aliyev Mehrheitsanteile hielt, abgezweigt zu haben. Aliyev hat diese Vorwürfe stets bestritten. Weil Österreich in Kasachstan für ihn kein faires Verfahren garantiert sah, wurde seine Auslieferung abgelehnt und stattdessen ein Inlandsverfahren eröffnet. Nun müssen sich Wiener Geschworene mit dem Fall beschäftigen, wobei mit Aliyev der Hauptangeklagte fehlt. Er wurde am 24. Februar 2015 erhängt in seiner Zelle im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus aufgefunden.

Staatsanwalt Markus Berghammer bemühte sich am Rand der Verhandlung, Licht in einen vermeintlichen Widerspruch zu bringen, der mit dazu geführt hatte, dass Vadim Koshlyak, der Sicherheitsberater Aliyevs, und der mitangeklagte Ex-Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB, Alnur Mussayev, am vergangenen Donnerstag aus der U-Haft entlassen wurden. In einem kasachischen Strafregister-Auszug wurden Urteile eines kasachischen Militärgerichts im Fall Aliyev als rechtskräftig bezeichnet, während in einem Schreiben der kasachischen Justiz an das Wiener Gericht diese als noch nicht in Rechtskraft erwachsen dargestellt wurden. "Die Urteile sind nicht rechtskräftig", betonte nunmehr Berghammer. Die inhaltlich unrichtige Strafregister-Auskunft sei auf einen "Systemfehler" zurückzuführen.