Eigentlich soll mit dem Strafrechtsänderungsgesetz die Diversion ausgeweitet werden, nämlich auch für Delikte, die (auch bei Zuständigkeit eines Schöffen- oder Geschworenengerichts) mit nicht mehr als fünf Jahren Haft bedroht sind. Knackpunkt ist aber, dass es laut Entwurf (§ 198 Abs. 2 Z1 StPO) nicht um Gewalt bzw. gefährliche Drohung gegen unmündige Personen sowie gegen Angehörige (inklusive aktueller oder früherer Beziehungspartner) gehen darf.

Damit, so die Kritik von Neustart, würden sämtliche Formen von häuslicher und familiärer Gewalt von der Diversion ausgeschlossen. Für den Verein ist das unverständlich. "Der Tatausgleich bei familiärer Gewalt wird seit Jahrzehnten erfolgreich durchgeführt und ist eine gut beforschte Interventionsform im österreichischen Strafrecht", heißt es in der Stellungnahme. Alle Forschungsergebnisse zeigten höchste Opferzufriedenheit bei gleichzeitig niedrigster Rückfallrate. "Vor allem im Interesse der Opfer darf der geplante Diversionsausschluss nicht umgesetzt werden."

Für dieses Anliegen bekam der Verein vielstimmige Unterstützung. Die Rechtsanwaltskammer warnte in ihrer Begutachtungsstellungnahme vor einem schwerwiegenden Rückschritt. Die Vereinigung österreichischer Staatsanwälte ortete einen Widerspruch zu den positiven praktischen Erfahrungen im diversionellen Bereich.

Seitens der Wissenschaft bezeichnete Andreas Venier (Uni Innsbruck) den Plan als "inakzeptabel", würde er doch auch gelten, wenn ein 18-Jähriger seinen noch nicht 14-jährigen Bruder durch einen Fußtritt leicht verletzt. Sein Kollege Klaus Schwaighofer sprach von einem "irrationalen Anschlag" auf eine bewährte Einrichtung. Massive Bedenken kamen auch von Gerichten und Staatsanwaltschaften aus ganz Österreich, Opferschützern wie dem "Weißen Ring" oder dem Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Zusätzlich erhielt Neustart von diversen Fachorganisationen für "Restorative Justice" Rückendeckung.

Die Initiative zur Einschränkung der Diversion kam dem Vernehmen nach aus dem Frauenministerium. Nun räumt man Bedenken ein und beruft sich auf eine kofinanzierte EU-Studie, laut der bei leichten Fällen häuslicher Gewalt (insbesondere wenn es sich um eine Ersttat handelt), ein Tatausgleich durchaus angezeigt sein könne. Bei verfestigten Gewaltbeziehungen seien Tatausgleich und Geldbußen allerdings abzulehnen.

Im Justizministerium hieß es auf APA-Anfrage, dass man die Kritik des Vereins Neustart sehr ernst nehme und auch entsprechend berücksichtigen wolle. Das kann allerdings noch dauern, denn es gilt eine große Zahl Begutachtungsstellungnahmen (bis Freitagnachmittag waren es 100) einzuarbeiten. Das Gesetz soll vor dem Sommer im Ministerrat behandelt werden. Der Nationalratsbeschluss ist für den Herbst geplant, das Inkrafttreten für Jahresbeginn 2016.