Nach wochenlangen Vorbereitungen hat die griechische Polizei am Dienstag mit der Räumung des Flüchtlingslagers Idomeni an der Grenze zu Mazedonien begonnen. Innerhalb weniger Stunden wurden 2031 der dort lebenden rund 9000 Flüchtlinge mit Bussen in andere Aufnahmezentren gebracht. 700 Sicherheitskräfte riegelten das Gelände ab.

Keine Gewalt

Die Räumung startete kurz nach Sonnenaufgang und verlief zunächst ohne größere Zwischenfälle. Die Sicherheitskräfte mussten keine Gewalt anwenden, wie Regierungssprecher Giorgos Kyritsis sagte. Aus Polizeikreisen verlautete, dass bis zum Abend 2.024 Flüchtlinge in 42 Bussen das Lager verlassen hätten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) bestätigte den ruhigen Verlauf, beklagte aber, es würden viele Helfer blockiert, was die Versorgung der verbleibenden Flüchtlinge erschwere. Am Mittag begannen Bagger mit der Entfernung von Zelten.

Die Medienvertreter wurden drei Kilometer vom Lager Idomeni entfernt an einer Polizeisperre aufgehalten. Auf das Gelände wurden nur Vertreter von Staatsmedien gelassen. "Bei derartigen Operationen werden auf der ganzen Welt Ordnungsmaßnahmen ergriffen", erläuterte Kyritsis die Absperrmaßnahmen für Journalisten.

Ein Teil der Flüchtlinge wurde in ein Aufnahmezentrum in einem Industriegebiet der Millionenstadt Thessaloniki gebracht. Nach Polizeiangaben weigerten sich etwa hundert Flüchtlinge, in dem Zentrum untergebracht zu werden. Sie brachen zu Fuß Richtung Innenstadt auf.

Idomeni war im vergangenen Jahr von Hilfsorganisationen als Provisorium für höchstens 2.500 Menschen eingerichtet worden. So lange die Balkanroute offen war, verbrachten die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenregionen nur kurze Zeit dort, bis sie ihre Reise Richtung Zentraleuropa fortsetzten.

Vollständige Räumung binnen zehn Tagen

In den dramatischen Wochen bis Anfang April stauten sich bis zu 12.000 Menschen in Idomeni, hausten bei Kälte und Regen in Zelten auf matschigen Feldern. Trotzdem lehnten es die meisten Flüchtlinge ab, sich in andere Lager im Landesinneren bringen zu lassen, weil sie noch auf eine Chance zur Weiterreise hofften.

Binnen zehn Tagen soll das Lager nach Angaben der griechischen Behörden nun vollständig geräumt werden. 6.000 Plätze sollen bereitstehen. Die Organisation Save the Children appellierte an die Behörden, besonders die Kinder zu schützen. Vor allem diejenigen, die allein unterwegs seien, hätten schon zu viel Stress und Leid durchgemacht.

Vor dem Hintergrund der Räumung Idomenis forderte die deutsche Grüne Europaabgeordnete Barbara Lochbihler die Aufnahme von in Griechenland gestrandeten Flüchtlingen in anderen EU-Staaten. Dazu müsse "weiter an einem europaweiten und gerechten Verteilungssystem" gearbeitet werden, das die Wirtschaftsleistung der Aufnahmeländer und die Zahl der dort bereits aufgenommenen Flüchtlinge berücksichtige, sagte Lochbihler am Dienstag dem Sender SWR Info.

Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte die europäische Flüchtlingspolitik: Die Flüchtlinge würden behandelt wie "Figuren in einem Schachspiel", angesichts des Hin- und Herschiebens von Flüchtlingen unter dem EU-Türkei-Abkommen und dem Streit um Kontingenten zwischen den EU-Staaten. Die Politiker müssten für "sichere und legale Routen" für Migranten sorgen.

In ganz Griechenland halten sich laut Regierung noch 54.000 Flüchtlinge gestrandete Flüchtlinge auf. Allerdings hat sich seit Inkrafttreten des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes Anfang April die Lage entspannt. Im Hafen von Piräus, dem nach Idomeni zweiten Brennpunkt, ist die Zahl der wild campierenden Flüchtlinge von 5.000 auf 1.500 zurückgegangen.