Aus Protest gegen ein neues Sparprogramm mit Rentenkürzungen haben die griechischen Gewerkschaften am Freitag das ganze Land mit umfangreichen Streiks lahmlegt. Die meisten Ägäis-Fähren blieben in den Häfen, die Eisenbahner legten ihre Arbeit nieder, der Nahverkehr in Athen und anderen Städten brach zusammen. Auch staatliche Schulen in Griechenland blieben geschlossen.

Die meisten Ausstände sollen durch das gesamte Wochenende andauern. Am späten Sonntagabend soll das Parlament die neuen Sparmaßnahmen billigen. Neben Rentenkürzungen von 1,8 Milliarden Euro sind 1,8 Milliarden Euro an Steuererhöhungen vorgesehen.

"Grabstein des Rentensystems"

Der Gewerkschaftsverband des privaten Bereichs GSEE bezeichnete die Rentenkürzungen als "Grabstein" des Rentensystems. Wer ab Montag in die Rente geht, solle bis zu 30 Prozent weniger Geld bekommen, hieß es. Die Staatsbediensteten-Gewerkschaft ADEDY sprach von einem "Überfall auf die Renten" und rief zum Widerstand auf.

Die wichtigsten Auswirkungen des Generalstreiks, wie die Gewerkschaften ihn nennen: Der Ausstand der Seeleute im Fährverkehr zu den Ägäis-Inseln soll bis Dienstagfrüh dauern, die Eisenbahner streiken drei Tage lang, Busse und Bahnen fuhren in Athen und anderen Städten am Freitag nicht. Auf den Zufahrtsstraßen der Ballungszentren entstanden gewaltige Staus. Die Menschen versuchten, mit dem Auto oder Taxi zur Arbeit zu fahren.

Die Streiks im Nahverkehr sollen am Samstag weitergehen. Auch die staatlichen Schulen blieben am Freitag geschlossen. Die Müllabfuhr soll für drei Tage bestreikt werden.

"Nieder mit dem neuen Gesetz"

"Nieder mit den neuen Gesetz - Fallbeil für unsere Renten", skandierten Hunderte Mitglieder der kommunistischen Gewerkschaft PAME im Zentrum Athens, wie Reporter berichteten. Am Samstag und Sonntag sind weitere Demonstrationen in der Hauptstadt und anderen Städten geplant. Auch Journalisten legten die Arbeit für zwei Tage nieder. Im Radio und Fernsehen gab es nur Musik und Filme. Lediglich eine private Radiostation sendete ein Not-Nachrichtenprogramm, das nur über die Streiks und die Reformen berichtete.

Der griechische Flugverkehr lief dagegen normal, teilte der Flughafen Athen mit. Auch Supermärkte und Läden sowie die meisten antiken Stätten waren geöffnet.

Mit der Billigung des Sparpakets solle Finanzminister Euklid Tsakalotos zu einem am Montag in Brüssel angesetzten Treffen der Eurogruppe gestärkt reisen, hieß es aus Regierungskreisen. Die Abstimmung der Parlamentarier soll am späten Sonntagabend stattfinden, teilte das Parlamentspräsidium am Freitag mit.

"Heißes Wochenende im Parlament"

Ursprünglich war mit dem Votum erst am kommenden Mittwoch gerechnet worden. Die Abstimmung gilt als erneute Kraftprobe für die Links-Rechts-Koalition unter Ministerpräsident Alexis Tsipras.

Zahlreiche Regierungsabgeordnete hatten sich wiederholt negativ zu den Sparvorhaben geäußert. Tsipras' Regierung verfügt über eine knappe Mehrheit von 153 Abgeordneten bei insgesamt 300 Sitzen. "Heißes Wochenende im Parlament", meinte die Athener Zeitung "Ta Nea" am Freitag. Die Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für weitere Hilfen für das von der Pleite bedrohte Land.

Rettungsfonds-Chef verteidigt Sparpaket

Im Streit um Reformen in Griechenland verteidigt der Chef des Euro-Rettungsschirm ESM, Klaus Regling, das geforderte "Sparpaket auf Vorrat" mit einem Umfang von 3,6 Mrd. Euro. Diese Maßnahmen seien eine "Art Versicherung" für den Fall unerwarteter Entwicklungen, sagte Regling der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Die Athener Regierung sei jedoch überzeugt, dass dieses Paket nicht nötig sei.

Die Geldgeber - darunter ist der ESM - und die Regierung von Premier Alexis Tsipras verhandeln zur Zeit über umfassende Spar- und Reformschritte, die Voraussetzung sind für die Auszahlung neuer Milliardenhilfen.

Insbesondere der Internationale Währungsfonds (IWF) pocht auf das Extrapaket, weil seine wirtschaftlichen Prognosen für das Krisenland pessimistischer sind als die der Europäer. Schon länger debattierte Reformen der Pensionen und der Einkommensteuer sind hingegen weitgehend vereinbart. Die Euro-Finanzminister werden an diesem Montag über die Lage beraten.

Regling sagte, Athen brauche Geld vom ESM. Die Situation habe sich aber verbessert. Denn Griechenland erziele einen Haushaltsüberschuss (vor Zinszahlungen) und brauche nicht jeden Monat frisches Geld. Der deutsche Finanzfachmann wies aber auf hohe Rückzahlungen im Juli hin. Eine Zahlungsunfähigkeit des Landes drohe derzeit nicht.