Die in der Flüchtlingskrise eingeführten Grenzkontrollen im Schengenraum werden voraussichtlich ab Mitte Mai um sechs Monate verlängert. Dies geht laut Medien aus der für Mittwoch erwarteten Empfehlung der EU-Kommission hervor. Davon betroffen seien aber ausdrücklich nur bestehende Kontrollen und damit nicht die am Brenner geplanten.

Aus der EU-Kommission war bereits in den vergangenen Tagen die Bereitschaft verlautet, Grünes Licht für eine Verlängerung der Maßnahmen zu geben. Nach dem Willen der EU-Kommission soll Griechenland das halbe Jahr nutzen, um Schwächen beim Schutz der Außengrenze zu beseitigen. Der Vorschlag der Kommission beziehe sich ausdrücklich auf bestehende Routen der Flüchtlingszuwanderung. Für Kontrollen am Brenner, wie sie Österreich vorbereitet, müsse die Regierung in Wien eine andere Rechtsgrundlage bemühen.

Notfallmechanismus

Neben Österreich fordern auch Deutschland, Belgien, Frankreich, Dänemark und Schweden, ab Mitte Mai einen dafür notwendigen Krisenmechanismus gemäß des Schengener Grenzkodex' zu aktivieren, wie die deutsche Tageszeitung "Die Welt" am Samstag berichtete. In einem Schreiben an den stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans und EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos heißt es demnach wörtlich: "Wir fordern Sie auf, dem Rat einen Vorschlag zu machen, der es den Mitgliedstaaten, die es für notwendig halten, erlaubt, vorübergehende Grenzkontrollen an den internen Schengen-Grenzen ab dem 13. Mai in Übereinstimmung mit Artikel 29 aufrecht zu erhalten oder einzuführen."

Dies wäre das erste Mal, dass der seit 2013 existierende "Notfallmechanismus" des Schengener Grenzkodex aktiviert werden würde. Dafür braucht es anders als bisher - als die Kontrollen unter Verweis auf Kapitel 23 und 24 des Vertrages durchgeführt wurden - einer Zustimmung des Rates aller Mitgliedsstaaten. In Österreich würden die bisherigen Kontrollen am 15. Mai auslaufen.

Bayern will Grenze stärker kontrollieren

Seit vergangenem Herbst kontrolliert auch Deutschland wieder die Grenze zu Österreich. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will nun mit der Regierung in Berlin sogar über eine Ausweitung der Kontrollen verhandeln. "Überall dort, wo die Grenzübergänge auch von Ausländern genutzt werden, muss kontrolliert werden", fordert Herrmann gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine Erweiterung der Maßnahme. Bisher wird nur eine Handvoll der gut 60 Grenzübergänge von der Polizei kontrolliert.

Herrmann betonte zudem, dass das Ausmaß der künftigen deutschen Kontrollen auch von der Entwicklung an der österreichisch-italienischen Grenze abhänge. "Sollte der Zustand eintreten, dass die Österreicher konsequente Kontrollen am Brenner durchführen, müssten wir in Kufstein nicht noch einmal kontrollieren."

Steinmeier warnt vor Brenner-Schließung

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte indes Wien vor den Folgen einer "Schließung" des Brenner-Passes. "Die Auswirkungen wären auch für Österreich dramatisch", betonte der Minister im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica" am Sonntag. Es gebe keinerlei Grund für eine "Grenzschließung", denn die Zahl der Flüchtlinge aus Nordafrika sei zuletzt nicht gestiegen.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) rechnet indes mit keinen Auswirkungen der Brenner-Kontrollen auf den Verkehr an der Grenze. "Die Auswirkungen verstärkter Kontrollen wären dieselben einer Mautstelle in Italien. Die Maßnahme ist für uns notwendig, um öffentliche Ordnung und Sicherheit zu garantieren", sagte Sobotka im Interview mit der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" am Sonntag. Es werde keine der Grenze geschlossen, betonte der Innenminister weiter. Vorrichtungen für eine Absperrung werde es dennoch geben, "aber wir werden den Zaun nicht einhängen", hatte der Innenminister am Freitag in Berlin gesagt. Dies geschehe erst dann, wenn es die Lage erfordere.

100.000 Menschen in Libyen

Seit der Abriegelung der Balkanroute und des Inkrafttretens des EU-Türkei-Paktes kommen weniger Flüchtlinge bis nach Österreich und Deutschland. Allerdings warten laut UNO bis zu 100.000 Menschen in Libyen auf ihre Chance, über das Mittelmeer nach Italien aufzubrechen und von dort weiter Richtung Norden zu gelangen. "Solange es hier keine funktionierende Regierung gibt, kann niemand diesem Problem wirksam begegnen", sagte der UN-Libyengesandte Martin Kobler. Auch die EU-Marinemission "Sophia" zum Kampf gegen Schlepperkriminalität würde Kriminellen eher in die Hände spielen als sie bekämpfen.