Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) erklärte dazu am Samstag: "Wir beobachten mit größter Aufmerksamkeit die verstärkte Schlepperkriminalität" an der burgenländische Grenze zu Ungarn. Seit 25.4. 2016 werde an dieser Grenze verstärkt kontrolliert. Die südlichen Grenzen würden derzeit ebenfalls intensiv beobachtet, hieß es weiter. "Unsere nationale Sicherheit steht weiterhin an erster Stelle. Diese muss definitiv gewährleistet sein", sagte der Innenminister.

Sobotka meinte weiters: "Mit dem Vorschlag ein abgestimmtes Grenzmanagement mit unseren Partnerländern nach Ablauf der Frist einzuführen wäre der erste große Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Lösung gesetzt, nicht nur für Österreich sondern auch im Sinne der Europäischen Union". Neben Österreich fordern auch Deutschland, Belgien, Frankreich, Dänemark und Schweden, einen dafür notwendigen Krisenmechanismus gemäß des Schengener Grenzkodex' zu aktivieren, wie die deutsche Tageszeitung "Die Welt" am Samstag berichtete.

Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) betonte, dass man auch weiterhin die deutschen Grenzen kontrollieren wolle. Deutschland setze sich daher zusammen mit anderen EU-Staaten für die Aktivierung eines entsprechenden Krisenmechanismus des Schengener Grenzkodexes ein. "Auch wenn sich die Flüchtlingssituation an den Binnengrenzen entlang der Westbalkanroute derzeit entspannt hat, blicken wir mit Sorge auf die Entwicklungen an den Außengrenzen der Union", erklärte de Maiziere.

Der Minister fügte hinzu: "Die Mitgliedstaaten müssen weiterhin die Möglichkeit haben, Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen lageabhängig und flexibel dort anwenden zu können, wo es erforderlich ist."

In einem Schreiben an den stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans und EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos heißt es demnach wörtlich: "Wir fordern Sie auf, dem Rat einen Vorschlag zu machen, der es den Mitgliedstaaten, die es für notwendig halten, erlaubt, vorübergehende Grenzkontrollen an den internen Schengen-Grenzen ab dem 13. Mai in Übereinstimmung mit Artikel 29 aufrecht zu erhalten oder einzuführen." Der Stichtag für Österreich ist der 15. Mai - acht Monate nach der Einführung vergangenen September.

Die sechs EU-Staaten begründen ihren Vorstoß für verlängerte Kontrollen damit, dass die Lage an den EU-Außengrenzen zwar weniger dramatisch sei als in der Vergangenheit, dass "aber an einigen Orten noch andauernde Versäumnisse existieren". Ähnlich äußerten sich "Der Welt" zufolge hohe EU-Diplomaten, die wegen der weiterhin zu erwartenden Flüchtlingsbewegung Grünes Licht für eine Verlängerung erwarten. Die Kommission wolle am kommenden Mittwoch - wie bereits im März angekündigt - ihre Entscheidung bekanntgeben, hieß es am Samstag in Brüssel.

Zur Existenz des Schreibens äußerte sich das Innenministerium nicht. Berliner Regierungskreise bestätigten indes der Deutschen Presse-Agentur (dpa) den "Welt"-Bericht im Grundsatz. Die Abstimmung des Schreibens an Brüssel werde voraussichtlich am Montagvormittag abgeschlossen sein, hieß es.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte am Samstag, der Schutz der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise dürfe nicht auf Kosten der Freiheiten im Schengen-Raum gehen. Deswegen sei die Europäische Union in einer "ganz entscheidenden Phase", sagte die CDU-Vorsitzende in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft in Berlin. Sie habe sich entschieden, "dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten".

Die Kontrollen waren Mitte September wegen des Flüchtlingsandrangs eingeführt worden. Nach der Schließung der Balkanroute im Februar ist die Zahl der Neuankömmlinge in Österreich und Deutschland deutlich gesunken. In Österreich wurden im März nach vorläufigen Zahlen des Innenministeriums 3.265 Asylsuchende registriert - im Februar rund 5.112 im Jänner 5.951. In Deutschland wurden im März rund 20.000, im Februar 60.000 und im Jänner 90.000 Asylsuchende verzeichnet.

Befürchtet wird jedoch nun, dass viele Flüchtlinge auf neue Routen über Italien ausweichen könnten. Österreich bereitet sich unter scharfer Kritik aus Rom auf Grenzkontrollen am Brenner, dem wichtigsten italienisch-österreichischen Übergang, vor.