Wenige Stunden vor dem geplanten Beginn der Waffenruhe in Syrien wachsen Zweifel, ob das Abkommen tatsächlich umgesetzt wird. Die Opposition berichtete am Freitag über heftige Luftangriffe auf Rebellenstellungen in mehreren Landesteilen.

Der Al-Kaida-Ableger Nusra-Front, für die die Waffenruhe nicht gilt, rief alle Aufständischen auf, die ab Mitternacht (23.00 Uhr MEZ) geplante Feuerpause nicht zu beachten, sondern den bewaffneten Widerstand gegen Syriens Staatschef Bashar al-Assad zu verschärfen.

Russlands Präsident Wladimir Putin teilte zwar mit, die syrische Regierung und die Rebellen hätten sich fristgerecht bereiterklärt, das Abkommen zu respektieren. Doch sein Außenminister Sergej Lawrow räumte ein, niemand könne eine 100-prozentige Garantie abgeben, dass die Feuerpause auch umgesetzt werde.

Kampf um Territorium

Die Konfliktparteien versuchten offenbar, vor Inkrafttreten der von den USA und Russland beschlossenen "Einstellung der Feindseligkeiten" noch möglichst viel Territorium unter ihre Kontrolle zu bringen. Allein der Ort Douma in einem von den Rebellen gehaltenen Gebiet nahe der Hauptstadt Damaskus sei mindestens 26 Mal aus der Luft und mit Artilleriegeschützen angegriffen worden, teilte die oppositionsnahe Beobachterstelle für Menschenrechte mit. Rettungskräfte sagten, fünf Menschen seien getötet worden. Das syrische Militär war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen flammten auch im Nordwesten nahe der Grenze zur Türkei auf.

Als besonders brisant könnte sich der Aufruf von Al-Nusra-Front-Anführer Abu Mohammed al-Jaulani erweisen. Die Aufständischen sollten entschlossener gegen die syrische Führung und deren Verbündete vorgehen. "Lasst Euch nicht von ihren Flugzeugen und ihren vielen Soldaten einschüchtern", sagte er in einer vom Fernsehsender Orient TV ausgestrahlten Audiobotschaft.

Radikale werden weiter bekämpft

Das Waffenstillstandsabkommen gilt explizit nicht für die Al-Nusra-Front, da diese sowohl von den USA als auch Russland als zu radikal angesehen wird. Sie ist allerdings alleine größer als fast alle Gruppen zusammen, die sich zu der Feuerpause bereiterklärt haben. Zudem kontrolliert sie kein klar umrissenes Gebiet. Ihre Kämpfer sind breit verteilt und dabei auch in von der Opposition gehaltenen Gebieten im Westen Syriens unterwegs. Sollten sie die Kämpfe eskalieren lassen, würde das das Risiko eines Scheiterns der Feuerpause erheblich erhöhen.

Das wichtigste syrische Oppositionsbündnis bekräftigte gleichwohl, sämtliche ihr angehörenden bewaffneten Gruppen würden die zunächst auf zwei Wochen angesetzte Feuerpause respektieren. Voraussetzung sei allerdings, dass die Regierungstruppen und deren Verbündete unter dem Vorwand der Terror-Bekämpfung nicht ihre Angriffe fortsetzten.

Genau hier könnte allerdings der Knackpunkt liegen. Zwar sind sich alle Seiten einig, dass die radikalislamische IS-Miliz und die Al-Nusra-Front ungeachtet der Waffenruhe weiter bekämpft werden dürfen. Die syrische Regierung bezeichnet aber in der Regel alle ihre Gegner im Land als Terroristen, also auch die Gruppen, die vom Westen als vergleichsweise moderat eingestuft und unterstützt werden. Putin sagte, niemand solle vergessen, dass es abgesehen vom Islamischen Staat (IS) noch andere terroristische Organisationen in Syrien gebe.

Türkei signalisiert Bereitschaft

Die Türkei erklärte, sie unterstütze das Waffenstillstandsabkommen grundsätzlich. Angesichts der anhaltenden Kämpfe "machen wir uns aber leider ernsthaft Sorgen, was die Zukunft dieser Waffenruhe angeht", sagte Präsident Recep Tayyip Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin. Der Türkei kommt als Nato-Partner, Regionalmacht und Nachbarstaat Syriens eine besondere Rolle zu. Sie ist unter anderem wegen der von den USA unterstützten syrischen Kurden-Gruppe YPG beunruhigt, deren Hochburgen entlang der Grenze zur Türkei liegen. Die Regierung in Ankara stuft - anders als die USA - die YPG als Terror-Organisation ein.

Unter anderem soll die Feuerpause Hilfsorganisationen es ermöglichen, dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente zu der Zivilbevölkerung zu bringen. Die Vereinten Nationen hoffen zudem, dass sich Spielraum für eine Wiederaufnahme der auf Eis liegenden Friedensgespräche in Genf ergibt. Ein Vertreter des russischen Außenministeriums sagte, womöglich könnte dies am 7. März der Fall sein. Der UN-Sicherheitsrat sollte noch am Freitag eine Resolution verabschieden, die die geplante Feuerpause befürwortet.