Russland müsse aufhören, die moderaten Rebellen zu bombardieren, forderten die USA, Großbritannien und Frankreich bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Syrien stehe vor einem "Wendepunkt", sagte US-Außenminister John Kerry. Die Entscheidungen, die in den kommenden Wochen getroffen würden, könnten den Krieg beenden - oder den Konflikt noch weiter verschärfen.

Die Syrien-Kontaktgruppe hatte sich in der Nacht auf Freitag in München auf eine Feuerpause in dem Bürgerkriegsland verständigt, die binnen einer Woche in Kraft treten soll. Der Kampf gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere radikale Gruppen soll aber fortgesetzt werden.

Russland und alle anderen an den Verhandlungen beteiligten Staaten müssten nun dafür sorgen, dass die vereinbarte "humanitäre Hilfe überall in Syrien möglich wird", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der Zeitung "Bild am Sonntag". Es dürfe nicht zugelassen werden, "dass die Münchener Verpflichtungen im Bombenhagel des Assad-Regimes und der fortgesetzten entgrenzten Brutalität der Kämpfe" untergehe.

Zwar vereinbarten US-Präsident Barack Obama und der russische Staatschef Wladimir Putin in einem Telefonat eine Kooperation "über diplomatische Kanäle", um die Umsetzung der in München beschlossenen Schritte zu erreichen. Eine gemeinsame Strategie ist aber nicht in Sicht. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew verteidigte in München die Syrien-Politik Moskaus. Der "Terrorismus" in Syrien müsse bekämpft werden, ohne Aufteilung in "Radikale und angeblich Gemäßigte".

Russland unterstützt in Syrien die Regierungstruppen von Bashar al-Assad in ihrem Kampf gegen die Rebellen. Die Führung in Damaskus bezeichnet alle Regierungsgegner als "Terroristen". Die US-geführte Allianz wirft Moskau vor, auch mit dem Westen verbündete gemäßigte Rebellen zu bekämpfen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich in München zurückhaltend über die Erfolgschancen der vereinbarten Waffenruhe. Da sich die Diskussion vor allem auf ein Ende der russischen Luftangriffe konzentriere, habe er Bedenken, ob das Treffen tatsächlich ein Erfolg gewesen sei, sagte Lawrow. "Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns."

Auch Syriens wichtigste Oppositionsgruppe äußerte Bedenken. "Ich möchte einen einzigen Tag Waffenruhe erleben, und dann erst können wir eine wirkliche politische Bewegung haben", sagte der Koordinator des Hohen Verhandlungskomitees (HNC), Riad Hijab. "Wir brauchen jetzt Taten."

Der einflussreiche republikanische US-Senator John McCain glaubt ebenfalls nicht an die Umsetzung der in München erzielten Einigung zur Eindämmung der Gewalt in Syrien. Er könne "nicht behaupten", dass er die Vereinbarung als Durchbruch einstufe, sagte der frühere Präsidentschaftskandidat am Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Ähnlich äußerte sich der israelische Verteidigungsminister Moshe Yaalon. Ein geeintes Syrien werde es in absehbarer Zeit nicht geben. Vielmehr würden die Konfliktparteien ihre Hochburgen in mehr oder weniger organisierte Enklaven ausbauen, so Yaalon.

Die Vereinten Nationen warteten am Sonntag noch immer auf Sicherheitsgarantien für Hilfslieferungen in belagerte Bürgerkriegsgebiete in Syrien. "Es ist komplizierter als erwartet", sagte der stellvertretende UNO-Generalsekretär Jan Eliasson. Formalitäten wie die Ausstellung von Papieren durch die syrischen Behörden hätten bereits in der Vergangenheit in etlichen Fällen zu lange gedauert, kritisierte Eliasson. UNO-Schätzungen zufolge sind in 50 belagerten Orten in Syrien etwa 400.000 Menschen eingeschlossen.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu kündigte unterdessen eine Fortsetzung der Militäraktionen gegen Kurden im Norden Syriens an. In einem Telefongespräch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Davutoglu am Sonntag gesagt, die Sicherheitskräfte des Landes würden auch weiterhin auf Angriffe der kurdischen YPG-Miliz reagieren, verlautete aus dem Büro des Ministerpräsidenten.

Die USA hatten die Türkei zuvor aufgefordert, ihre Angriffe auf syrisches Gebiet einzustellen. Die türkische Armee hatte in den vergangenen zwei Tagen Ziele bei Asas im Norden Syriens beschossen. Dort hatten kurdische Kämpfer mit Unterstützung russischer Kampfflugzeuge einen Militärflughafen von den gegen Präsident Assad kämpfenden Rebellen erobert. Die Türkei verlangt, dass sich die kurdischen Kämpfer von dort zurückziehen.

Weiter verschärfen könnte sich der Syrien-Konflikt durch die Entsendung von türkischen und saudi-arabischen Bodentruppen. In den kommenden Tagen würden Militärexperten die Einzelheiten des Einsatzes festlegen, sagte der saudi-arabische Brigadegeneral Ahmed al-Assiri. Zudem habe Riad Kampfflugzeuge in die Türkei verlegt, um die Angriffe auf die IS-Miliz in Syrien zu verstärken.

Der Iran warnte seinen Erzfeind vor dem Einsatz von Bodentruppen. Teheran werde auf einen solchen Schritt Riads die nötige Antwort geben, sagte der ranghohe iranische General Massoud Jazayeri. Teheran unterstützt die Führung in Damaskus finanziell und militärisch, unter anderem mit Militärberatern an Ort und Stelle.