Der Belagerungsring um die Rebellengebiete in der einst größten Stadt Syriens zieht sich damit immer enger. Zehntausende Flüchtlinge aus Aleppo sind inzwischen an der Grenze zur Türkei gestrandet. Türkische Helfer errichten dort auf der syrischen Seite ein neues Lager und versorgen die Menschen mit Lebensmitteln und Medikamenten. Die EU drängt die Türkei dagegen, die Flüchtlinge ins Land zu lassen.

Vermutlich russische Kriegsflugzeuge hätten Ziele um die Dörfer Bashkoy, Haritan und Kfr Hamra nördlich von Aleppo getroffen, erklärte die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Hilfsorganisationen warnen seit Tagen, dass das seit Jahren umkämpfte Aleppo kurz vor dem Fall an die Regierungstruppen stehe. Der Belagerungsring um die Rebellengebiete der Stadt, in denen etwa 350.000 Menschen leben, ist beinahe geschlossen. Die Aufständischen würden durch eine vollständige Einkesselung ihre letzte Versorgungsroute in Richtung Norden verlieren. In den Vierteln, die von der Regierung kontrolliert werden, wohnen mehr als eine Million Menschen.

Mit Lastwagen und Ambulanzen brachten türkische Helfer am Sonntag Lebensmittel und Medikamente über die syrische Grenze, um Zehntausende Flüchtlinge aus Aleppo zu versorgen. Unmittelbar hinter der Grenze bauten türkische Hilfsorganisationen neue Unterkünfte auf. "Wir verstärken unsere Anstrengungen in Syrien, um die Menschen unterzubringen, ihnen mit Lebensmitteln zu helfen und sie medizinisch zu versorgen", sagte ein Mitarbeiter der türkischen Hilfsorganisation IHH der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir errichten gerade ein weiteres Lager."

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte die Türkei bei einem Außenministertreffen am Samstag in Amsterdam auf, ihre Grenze für die Flüchtlinge zu öffnen. Der türkische Präsident Tayyip Recep Erdogan reagierte darauf abwartend. "Wenn sie an unsere Tür kommen und keine andere Wahl haben und es nötig werden sollte, werden wir diese Brüder einlassen - wir müssen das tun", zitierte ihn die Zeitung "Hürriyet". Die Türkei hat in den vergangenen Jahren 2,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen, mehr als jedes andere Land.

Das russische Bombardement nahe der türkischen Grenze wertete Erdogan als Bedrohung. "In einigen Teilen von Aleppo hat das Regime von (Präsident Bashar al-)Assad den Nord-Süd-Korridor abgeschnitten", zitierte "Hürriyet" den Präsidenten weiter. "Die Türkei wird bedroht." Die türkische Armee habe die volle Befugnis, jeglicher Bedrohung der nationalen Sicherheit zu begegnen. Die Regierung in Ankara fordert seit langem die Absetzung von Assad. In türkischen Regierungskreisen hieß in der Vergangenheit allerdings, die Türkei habe nicht die Absicht, in Syrien einzumarschieren.

Die neue Flüchtlingswelle wurde durch die russische Luftoffensive gegen die Millionenstadt Aleppo ausgelöst, die den syrischen Bodentruppen den Vormarsch ermöglichte und zugleich die Friedensverhandlungen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition in Genf torpedierte. Die UNO unterbrach die Gespräche deshalb bis Ende Februar. Kritiker werfen Russland vor, der syrischen Regierung mit der Offensive zu einer besseren Verhandlungsposition verhelfen zu wollen.

Am Donnerstag wollen die Außenminister der Staaten, die im Herbst in Wien die Grundlage für die Gespräche gelegt hatten, in München zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammenkommen. Zu ihnen zählt auch Russland. Er erwarte von allen Seiten, dass die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Verhandlungen in Genf geschaffen würden, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. "Das verlangt, dass der gesamte Prozess nicht kurzfristigem, militärischen Taktieren geopfert wird", erklärte er und nannte in diesem Zusammenhang Russland und den Iran.