Die EU-Außenminister haben in Amsterdam Beratungen zur Flüchtlingskrise mit den EU-Kandidatenländern Türkei, Mazedonien, Serbien, Montenegro und Albanien geführt. "Es kommt mit großer Wahrscheinlichkeit eine große Flut von Menschen auf uns zu", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn angesichts der einsetzenden Massenfluch aus der syrischen Stadt Aleppo.

Zehntausende Menschen würden wegen der Bombenangriffe um ihr Leben laufen. Asselborn warnte vor einer Stimmung gegen Flüchtlinge in Europa. "Wenn man sich so umhört in Europa sollen die Menschen nicht sterben in Syrien, sondern dann erschossen werden in Europa. Mir graut es ein wenig vor der Vorstellung, die wir haben", sagte er. Zwar wisse er, dass Länder unter Druck der Flüchtlingsströme stünden. Aber "wir müssen aufpassen, dass wir nicht von diesem Rechtsruck, der in Europa stark Fuß gefasst hat, auch in wichtigen Ländern, dass wir uns nicht in eine Ecke ziehen lassen, wo Europa sein Gesicht verliert". Asselborn forderte rasch vertiefte Gespräche zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow für einen neuen Ansatz zu einer Syrien-Friedenslösung.

Die Türkei habe den EU-Staaten nach Angaben des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier eine bessere Sicherung der Grenze zu Griechenland in Aussicht gestellt. Sein türkischer Kollege Mevlüt Cavusoglu habe beim Treffen in Amsterdam weitere Anstrengungen angekündigt, so Steinmeier. Diese sollten sicherstellen, dass nicht nur besser kontrolliert werde, sondern dass auch der Flüchtlingszustrom nach Europa reguliert werde. 

"Nicht bereit auf Griechenland zu warten"

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat nach Beratungen mit seinen EU-Kollegen die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Mazedonien und Serbien für mehr Grenzschutz in der Flüchtlingskrise bekräftigt. "Ich bin nicht bereit, darauf zu warten, bis in Griechenland endlich Einsicht einkehrt, dass es eine Lösung der Flüchtlingskrise braucht", sagte Kurz am Samstag in Amsterdam.

"Es gibt derzeit aus meiner Sicht noch immer viel zu wenig Problembewusstsein in Griechenland. Es sind noch immer die wenigen Zielländer in der Europäischen Union, die unter der Flüchtlingskrise leiden, und viele andere, die kaum betroffen sind", kritisierte Kurz. Insofern sei Österreichs Entscheidung für eine Obergrenze bei Asylwerbern absolut richtig" gewesen.

"Was eventuell funktionieren kann - und daran arbeiten wir gerade - ist, gemeinsam mit Slowenien und Kroatien aber auch mit Serbien und Mazedonien zu kooperieren, um hier gemeinsam den Kern-Schengenraum zu schützen", sagte Kurz. "Das hat eine gewisse Chance." Parallel dazu, seien nationale Maßnahmen notwendig, "denn alles andere würde zu einer massiven Überforderung unseres Landes führen".

"Müssen geeint handeln"

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte zur Frage von Grenzschließungen: "Ich denke nicht, dass das eine Lösung ist." Mogherini: "Wir müssen geeint handeln. Das gemeinsame Management von Flüchtlingsströmen kann uns mehr einen als auseinanderbringen."

Auch EU-Erweiterungs- und Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn warnte vor einzelstaatlichen Lösungen in der Flüchtlingskrise. Diese könnten einen Dominoeffekt auslösen. "Wir müssen eine Situation vermeiden, dass unsere Kandidatenländer am Westbalkan zu einer Art Parkplatz für Flüchtlinge werden." Ohne Stärkung des Schutzes der EU-Außengrenzen werde Europa immer Probleme haben.

"Flüchtlinge und Migranten unterscheiden"

Hahn mahnte, dass noch immer die Genfer Flüchtlingskonvention gelte. Angesicht der Massenflucht aus Aleppo betonte er: "Mehr denn je gilt es, zu unterscheiden zwischen Flüchtlingen und Migranten." Mittlerweile seien weniger als 40 Prozent der Flüchtlinge, die in Griechenland ankommen, Syrer. Manche von ihnen seien mit falschen Pässen ausgestattet. "Das ist eine neue Dimension, dass im Windschatten der Flüchtlingskrise ein verstärkter Migrationsstrom eingesetzt hat." Primäre Aufgabe der EU sei es, das Schengen-System zu retten. Hahn erinnerte an eine Studie, wonach ein Ende des grenzkontrollfreien Schengenraumes Kosten von bis zu 100 Milliarden Euro brächte. "Schengen ist auch ein Symbol für Europa jenseits der rein materiellen Situation", sagte Hahn.

Kooperation für Grenzschutz

Der niederländische Außenminister Bert Koenders, dessen Land aktuell den EU-Ratsvorsitz innehat, sagte Österreich und andere Länder würden derzeit einseitige Maßnahmen setzen, um den Flüchtlingsstrom zu bewältigen. Die EU-Länder müssten darüber "reden, wie wir das besser managen können".

Österreich ist bei dem informellen EU-Außenministerrat in Amsterdam durch Ressortchef Sebastian Kurz (ÖVP) vertreten. Kurz hatte am Freitag eine stärkere Kooperation mit Mazedonien und Serbien zum Grenzschutz gefordert, um Flüchtlinge entlang der Balkanroute früher zu stoppen.

"Rettung von Schengen"

Der slowakische Staatssekretär Ivan Korcok sagte zu der von Österreich angekündigten Flüchtlings-Obergrenze, für die slowakischen Bürger sei die Reisefreiheit eine der wichtigsten Sachen in der EU. Er selbst sei zu dem Treffen in Amsterdam über den Flughafen Wien angereist. "Wir müssen unser Äußerstes geben, um die Außengrenzen zu schützen, um Ultima-Ratio-Lösungen zu verhindern, die viele Länder einführen." Die Slowakei sei konstruktiv.

Österreich ist bei dem informellen EU-Außenministerrat in Amsterdam durch Ressortchef Sebastian Kurz (ÖVP) vertreten. Kurz hatte am Freitag eine stärkere Kooperation mit Mazedonien und Serbien zum Grenzschutz gefordert, um Flüchtlinge entlang der Balkanroute früher zu stoppen.

"Verteidigungslinie"

Auch der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hat mehr EU-Unterstützung für Mazedonien zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen nach Europa gefordert. "Wenn Griechenland nicht bereit und in der Lage ist und keine Hilfe von der Europäischen Union annimmt, brauchen wir eine andere Verteidigungslinie, was offensichtlich Mazedonien und Bulgarien sind", sagte er am Samstag in Amsterdam.

Szijjarto begrüßte, dass die EU-Außenminister in Amsterdam ihrem mazedonischen Kollegen Nikola Poposki über die Flüchtlingskrise reden. "Wir denken, dass die EU derzeit ohne Verteidigung des Südens dasteht." Tausende "irreguläre Migranten" kämen so täglich in die EU. "Es ist offensichtlich, dass die südliche Schengengrenze nicht geschützt wird", sagte Außenminister Szijjarto. "Es ist frustrierend, dass jeder über die Notwendigkeit eines Außengrenzschutzes redet, aber nichts passiert."

Ungarn halte die Schengenregeln seit Monaten ein, indem es seine Grüne Grenze abgedichtet habe. "Ich hoffe wirklich, dass die Schengenzone überlebt", sagte der ungarische Außenminister. Mazedonien müsse respektiert werden, das Land habe viel zum Schutz der EU und Schengens getan, obwohl darin es nicht Mitglied ist. Die EU müsse Mazedonien mit Infrastruktur und Personal helfen.

Merkel: "Außengrenze schützen"

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen besseren Schutz der Außengrenze des Schengenraumes in Griechenland gefordert. "Wir müssen unsere Außengrenze schützen, weil wir Schengen erhalten wollen", sagte die Kanzlerin am Samstag in ihrer wöchentlichen Video-Ansprache.