Es ist glimpflich ausgegangen in Deutschland - bisher. Doch auch die Bundesrepublik steht im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus, wie die Sicherheitsbehörden seit längerem klarmachen.

"Im Zweifel für die Sicherheit"

Stärker ins öffentliche Bewusstsein tritt dies immer wieder, wenn sich die allgemein hohe Bedrohung konkret verdichtet - besonders bei Großveranstaltungen oder wenn sehr viele Menschen auf den Straßen sind wie zu Silvester in München. Die Behörden stellt das vor eine schwierige Abwägung, keine Panik zu schüren, zugleich aber Risiken auch nicht zu unterschätzen. Das oberste Prinzip nannte Bundeskanzlerin Angela Merkel erst vor wenigen Wochen nach dem akuten Terroralarm vor einem Fußball-Länderspiel in Hannover: "Im Zweifel für die Sicherheit."

Im vergangenen Jahr waren es gleich mehrere Warnungen, die viele Menschen in Deutschland aufschreckten. Kurz nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" in Frankreich verbot die Polizei an einem Montag im Jänner in Dresden alle Versammlungen im Freien. Im Februar fiel der Karnevalsumzug in Braunschweig aus, im Mai ein Radrennen rund um Frankfurt am Main. Und im November, kurz nach dem erneuten Terror von Paris, wurde das Länderspiel Deutschland gegen die Niederlande in Hannover kurz vor dem Anpfiff abgesagt.

"Seit den Anschlägen von Paris erreichen uns vermehrt Hinweise", sagt der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere. Dabei handelt es sich häufig um Informationen befreundeter Geheimdienste, also etwa aus den USA oder Frankreich. Teils enthalten solche Hinweise konkrete Orte oder Zeiten vermutlich geplanter Attacken, manchmal auch Namen möglicher Attentäter. Wenn Informationen aus verschiedenen Quellen kommen, sei das ernsthafter als nur aus einer Quelle, erläutert der Münchener Polizeipräsident Hubertus Andrä zum gegenwärtigen Fall in der bayerischen Landeshauptstadt mit vorübergehender Sperre des Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Pasing. Erste Aufgabe der Behörden ist es dann, solche Hinweise so schnell wie möglich zu überprüfen.

Wann macht man die Bedrohung öffentlich?

Die Einschätzungen laufen im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) zusammen, das wegen der gewachsenen islamistischen Bedrohung eingerichtet wurde. Dort in Berlin gleichen Experten aus Bund und Ländern Informationen ab und koordinieren mögliche Reaktionen. Dabei kann es sehr auf den Faktor Zeit ankommen - gerade bei der Frage, ob und wann man eine akute Terrorlage öffentlich macht und die Bürger warnt. Sprechen die Quellen von einem Anschlag in einigen Tagen oder Wochen, können Ermittlungen im Verborgenen zunächst möglich und sinnvoll sein. Bei nur wenigen Stunden "Vorwarnzeit" bekommt schnell der Schutz der Bevölkerung erste Priorität: Beamte sperren Straßen und Plätze, Bahnhöfe und Hallen werden geräumt, Züge werden gestoppt.

Mit solchen Maßnahmen seien nun auch in München mögliche Anschlags-Ziele von Terroristen aufgelöst worden, argumentiert der Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek. Wenn Sperren dann wieder aufgehoben werden, kann man das nicht Fehlalarm nennen, wie auch Polizeipräsident Andrä betont. Bewusst seien "fast chirurgische" Maßnahmen an zwei Bahnhöfen ergriffen worden, statt die ganze Stadt lahmzulegen. Dabei ist auch den Praktikern klar, dass öffentliche Warnungen sparsam dosiert werden sollten, damit sich Wachsamkeit und Vorsicht der Bürger nicht abnutzen. Deshalb wäre es fatal, bei jedem Hinweis gleich "die ganze Maschinerie" hochzufahren, sagt Andrä.

Lage in Deutschland "bleibt ernst"

Von genereller Entwarnung kann ohnehin keine Rede sein. Die Lage in Deutschland bleibe im neuen Jahr ernst, sagt de Maiziere. Und dieses Bewusstsein ist verbreitet. Zwei Drittel der Deutschen rechnen 2016 mit einem Anschlag der Organisation "Islamischer Staat" (IS) in ihrem Land, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zum Jahreswechsel ergab. Andererseits löste die konkrete Warnung in München jetzt auch keine allgemeine Panik aus. Überhaupt dürften solche Sicherheitsvorkehrungen noch häufiger nötig werden, erwartet Polizeigewerkschafter Radek: "Daran werden wir uns alle gewöhnen und lernen müssen, damit umzugehen."