Es gibt ein Zeichen der Hoffnung für den saudischen Blogger Raif Badawi. Die Regierung in Riad plant offenbar die dauerhafte Aussetzung der Auspeitschungen des 31-Jährigen, der wegen „Beleidigung des Islam“ zu 1000 Peitschenhieben, zehn Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt wurde. Man habe zugesichert, dass die Strafe, die bei konsequentem Vollzug einem Todesurteil gleichkommt, nicht mehr ausgeführt werde.

Die Regierung sei dabei aber in einem Dilemma, heißt es in Diplomatenkreisen in Riad. Würde sie die Strafe aufheben, würde sie nach dem massiven Druck aus dem Westen das Gesicht verlieren. Ein Begnadigungsansuchen hat wiederum Badawi lange Zeit ausgeschlossen, weil dies einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Unterstützt wird die Vermutung auch durch Aussage des Schweizer Staatssekretärs Yves Rossier. Er bestätigte der Westschweizer Zeitung „La Liberte“, dass das Urteil suspendiert sei und ein Verfahren für eine Begnadigung durch König Salman eingeleitet worden sei.

Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hatte bei seinem Besuch in Riad den Fall Badawi und zwei weitere Fälle angesprochen und dabei betont, dass man „absolute Differenzen in der Auffassung bei den Menschenrechten habe“. Details wollte Kurz nicht nennen, aus diplomatischen Kreisen heißt es aber, dass man sich den Fall des palästinensischen Dichters Aschraf Fajadh ansehen woll, der vergangene Woche zum Tode verurteilt worden. Ihm wird Blasphemie vorgeworfen. In der Politik gäbe es durchaus die Lesart, dass es sich bei diesem Urteil um einen Fehler handeln und nach eingehender Prüfung aufgehoben werden könnte, heißt es in Riad.

Massenhinrichtungen

Drastische Strafen sind im Königreich nichts Ungewöhnliches. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen haben die Saudis von Sommer 2014 bis Sommer 2015 175 Personen hingerichtet. Die Verurteilungen sind international umstritten, denn die Prozesse genügen keinen rechtsstaatlichen Ansprüchen, auch Minderjährige werden zum Tode verurteilt. So droht auch dem zur Tatzeit 17-jährigen Politikaktivisten Ali Mohamed Al-Nimr die Exekution. Jederzeit kann der politische Aktivist jetzt geköpft und danach gekreuzigt werden. Der Neffe des Regimekritikers Scheich Nimr Al-Nimr soll während des arabischen Frühlings zu Demonstrationen aufgerufen haben.

Härtere Gangart des neuen Königs

Onkel und Neffe gehören der schiitischen Minderheit an. Auch deshalb geht man davon aus, dass die Strafe vollstreckt wird, heißt es aus diplomatischen Kreisen in Riad. Seine Begnadigung wurde abgelehnt, auch weil man fürchtet, dass man damit ein Beispiel gibt, dem andere schiitische Aktivisten folgen könnten und dadurch Unruhen unter den Schiiten ausbrechen könnten. Nach Lesart westlicher Diplomaten zeigt der neue König damit auch eine härtere Gangart.

Unterstützt wird diese These durch die Meldung der saudischen Zeitung „Okaz“, dass die Regierung eine Massenhinrichtung von mehr als 50 Menschen in den kommenden Tagen plane, die wegen Terrorismus verurteilt wurden. Die ersten Executionen, von denen auch Al-Nimr betroffen sein könnte, sollten bereits vorgestern nach den Freitagsgebeten stattfinden – also kurz nach der Abreise von Außenminister Kurz. Eine Bestätigung aus Riad, dass die Hinrichtungen stattgefunden haben, gibt es bislang nicht.

Von Ingo Hasewend, Riad

INGO HASEWEND