Der Chef der Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, hat am Sonntag einen irakischen Luftangriff mutmaßlich überlebt. Das irakische Militär erklärte, ein Konvoi Baghdadis sei in der westlichen Provinz Anbar bombardiert worden. "Er wurde in einem Fahrzeug weggebracht. Sein Gesundheitszustand ist unklar", hieß es.

In Anbar an der Grenze zu Syrien habe er sich mit hochrangigen IS-Mitgliedern beraten sollen. Bei einem zweiten Angriff auf den Ort des Treffens nahe Karabala seien "viele Anführer der Gruppe getötet oder verletzt" worden, hieß es weiter. Augenzeugen und Ärzte sprachen ebenfalls von Todesopfern unter den Islamisten, sagten jedoch, Baghdadi sei wohl nicht darunter.

Die irakischen Sicherheitskräfte hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach gemeldet, Baghdadi sei verletzt oder getötet worden. Die Berichte bestätigten sich jedoch nie. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums erfolgte der jüngste Luftangriff am Samstagmittag.

Das US-Militär nahm zu den Berichten nicht Stellung. Ein Vertreter des IS erklärte per Telefon, er könne nicht bestätigen, dass sich Baghdadi in dem Konvoi befunden habe. Doch selbst wenn er tot sein sollte, würde dies keine Auswirkungen auf den IS haben, sagte der Vertreter: "Wir würden einen Anführer verlieren, aber es gibt 1.000 Baghdadis."

Der selbst ernannte Kalif hat bisher Bombardierungen einer US-geführten Militärallianz und einen Zwei-Fronten-Krieg im Irak und in Syrien überlebt. Nach einem amerikanischen Luftangriff im November gab es Spekulationen, Baghdadi sei verletzt oder tot. Das US-Militär hatte die Berichte nicht bestätigt. Der IS hat große Teile des Iraks und Syriens unter seine Kontrolle gebracht und ein Kalifat ausgerufen, eine besondere Form eines islamischen Gottesstaates.

Nach offiziellen irakischen Angaben wurde Baghdadi im Jahr 1971 in Samarra geboren. Nach dem US-Einmarsch im Irak soll er sich erstmals Aufständischen angeschlossen haben. Die USA setzten ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar (8,80 Mio. Euro) auf ihn aus.

Syrische Offensive mit Russlands Hilfe

Laut Aktivisten erzielte die Armee Geländegewinne in der Provinz Hama an der Fernstraße zwischen Damaskus und Aleppo sowie im Norden der als Regierungshochburg geltenden Küstenprovinz Latakia. Fortschritte gab es indes bei Gesprächen zwischen Washington und Moskau.

Der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge nahmen Regierungssoldaten in Hama drei Dörfer im Osten der Fernstraße ein und versuchten, auch Gebiete westlich der Straße unter ihre Kontrolle zu bringen. Ziel der Offensive sei es, die an Latakia grenzende Ghab-Ebene von den Rebellen zurückzuerobern, sagte der Leiter der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die Beobachtungsstelle stützt sich auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien und sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

Die tausend Quadratmeter große Ghab-Ebene wird im Süden und Westen vornehmlich von Alawiten bewohnt, im Norden und Osten überwiegend von Sunniten. In den Alawitengebieten verfügt der syrische Präsident Bashar al-Assad, selbst ein Alawit, über viele Anhänger. Die in Syrien minoritäre, aber einflussreiche Religionsgemeinschaft der Alawiten ist eine Abspaltung des schiitischen Islam. Die große Mehrheit der syrischen Bevölkerung ist sunnitisch.

Massive Luftangriffe der Russen

Im Norden von Latakia eroberte die Armee nach übereinstimmenden Angaben auf ihrem Vormarsch unter anderem die Ortschaft Kafr Dalba. Auf lange Sicht streben die Regierungstruppen die Rückeroberung der Provinz Idlib an. Diese wird nahezu vollständig von der islamistischen Armee der Eroberung kontrolliert. In ihr sind der syrische Ableger von Al-Kaida, die Al-Nusra-Front, und die von den Golfstaaten und der Türkei unterstützte Gruppierung Ahrar al-Sham zusammengeschlossen. Kämpfer der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) sollen sich dort nicht aufhalten.

Die russische Luftwaffe flog erneut dutzende Luftangriffe auf mutmaßliche Stellungen islamistischer Rebellen. Wie das Verteidigungsministerium in Moskau mitteilte, wurden seit Samstag 63 Ziele in den Provinzen Hama, Latakia, Idlib und Raqqa getroffen. Bei den Angriffen mit Kampfjets, die vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim aus starteten, seien 53 Positionen der "Terroristen" zerstört worden, hieß es.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf Moskau vor, für den Einsatz neuartiger Streubomben in Syrien verantwortlich zu sein. Fotos belegten, dass die verbotenen Bomben am 4. Oktober über dem Dorf Kafr Halab südwestlich von Aleppo abgeworfen wurden, erklärte sie am Sonntag. Die Streubomben seien entweder von Russland selbst eingesetzt oder von Moskau an die syrische Armee geliefert worden. Auch in den Provinzen Hama und Idlib seien Streubomben zum Einsatz gekommen.

Streubomben setzen Hunderte kleinerer Bomben frei. Viele Blindgänger explodieren erst Jahre später. Genau wie Landminen geht die Munition bei Berührung in die Luft - wer nicht sofort getötet wird, überlebt meist schwer verstümmelt. Laut einem von 116 Staaten unterzeichneten Vertrag aus dem Jahr 2008 ist Streumunition international verboten.

Am Samstag starteten islamistische Aufständische einen Versuch, den IS nördlich von Aleppo zurückzuwerfen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte vermeldete die Wiedereroberung des Dorfes Tall Sussin. Zudem gebe es schwere Gefechte in dem Gebiet um den von den Regierungstruppen kontrollierten und von Jihadisten belagerten Militärflughafen Kweyris.

Der russische Präsident Wladimir Putin warf indes den USA und den europäischen Mächten vor, sie redeten bloß über den Kampf gegen Terrorismus. Resultate seien aber nicht zu sehen, sagte er im Fernsehen. Am Rande des Formel-1-Rennens in Sotschi wollte er auch mit dem Verteidigungsminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, über Syrien und den Kampf gegen den Terror sprechen.

"Fortschritte" gab es nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums bei den Gesprächen mit Moskau zur Vermeidung von Zusammenstößen zwischen Flugzeugen beider Länder im Luftraum über Syrien. Das russische Verteidigungsministerium sprach von "professionellen und konstruktiven Diskussionen".