Die Regierung sprach von einem Terror-Akt und Hinweisen auf zwei Selbstmord-Attentäter. Zunächst bekannte sich niemand zu den Taten. Die pro-kurdische Partei HDP beschuldigte die Regierungspartei AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, ihre Finger im Spiel zu haben, um ihre Position vor der Parlamentswahl am 1. November zu stärken. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wies das zurück und erklärte, verdächtig seien die kurdische Arbeiterpartei PKK, die Extremisten-Miliz IS und die linke DHKP-C.

Die Demonstranten hatten sich in Ankara versammelt, um ein Ende der Gewalt zwischen dem türkischem Militär und kurdischen Militanten zu fordern, als zwei Sprengsätze detonierten. Ein Reuters-Reporter sah am Anschlagsort viele Leichen, die mit Transparenten und Fahnen bedeckt waren. Darunter waren Banner der oppositionellen pro-kurdischen Demokratischen Volkspartei (HDP).

Der Fernsehsender CNN Türk zeigte Aufnahmen von der Detonation. Zunächst waren tanzende Frauen und Männer zu sehen, die zusammenzuckten, als hinter ihnen eine Explosion aufblitzte. Die Regierung sprach zunächst von 86 Toten und 186 Verletzten - davon 28 schwer. Die HDP erklärte am Abend, die Zahl der Toten sei auf 97 gestiegen.

Erdogan erklärte, mit dem Anschlag solle die Gesellschaft gespalten werden. Solidarität und Entschlossenheit seien "die wichtigste Antwort auf den Terror". Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in einem Schreiben ihr Mitgefühl aus. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte, der "brutale Terroranschlag auf friedliche Demonstranten" sei ein Angriff auf den demokratischen Prozess in der Türkei.

Die USA verurteilten die Tat ebenfalls und erklärten, sie würden weiter die Bedrohung durch Terrorismus gemeinsam mit der Türkei bekämpfen. Das NATO-Mitglied Türkei bombardiert als Teil einer westlichen Allianz Stellungen der Islamisten-Miliz IS in Syrien.

Der Chef der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, beschuldigte indes Erdogans AKP und bezichtigte sie des Mordes. Schon zuletzt hatte die HDP der AKP vorgeworfen, im Vorfeld der Parlamentswahl am 1. November nationalistische Stimmungen anzuheizen. Bei der Wahl im Juni hatte die HDP überraschend stark abgeschnitten, was die AKP ihre absolute Mehrheit kostete. Erdogan hatte eigentlich auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit zum Ausbau der Machtfülle gehofft.

Weil Koalitionsgespräche scheiterten, wurden Neuwahlen ausgerufen. Den 2012 begonnenen Friedensprozess mit der PKK hatte Erdogan Ende Juli infrage gestellt, nachdem es mehrere Anschläge gab, die der PKK zugeschrieben wurden.

Die PKK selbst rief am Samstag nach den Explosionen von Ankara ihre Kämpfer auf, alle Guerilla-Aktionen in der Türkei auszusetzen. Dies solle dabei helfen, eine faire und gerechte Wahl ermöglichen. Bereits vor einigen Tagen hatte es Hinweise auf diese Entscheidung gegeben.