In der Sondersitzung der bayerischen Regierung gehe es um Integration, Bildung und Ausbildung, sagte Seehofer der "Bild". "Hinzu kommen ausdrücklich auch Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung, wie etwa Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands", sagte der CSU-Politiker. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ebenso wie SPD-Chef und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel Forderungen der bayerischen Landesregierung zurückgewiesen, Flüchtlinge an den Grenzen abzuweisen.

Wenn Deutschland beginne, "die Flüchtlinge nach Österreich zurückzuschieben, dann droht unserem Land eine humanitäre Krise neuen Ausmaßes", sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Donnerstagabend in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Zudem befürchtet die Ministerin gewaltsame Proteste. "Wenn Flüchtlinge nach Österreich zurückgeschickt werden, die in Deutschland bleiben wollen, dann muss man letztendlich mit Ausschreitungen rechnen", sagte sie am Donnerstagabend in Luxemburg.

Nachdem das bayerische Kabinett am Freitag Maßnahmen beschließen wolle, bereite man sich "auf mehrere Szenarien vor". Je nachdem "welche Entscheidungen morgen in Bayern getroffen werden, muss Österreich darauf angemessen reagieren. Dazu braucht es dann die dementsprechend raschen Entscheidungen der gesamten Bundesregierung."

Grenzkontrollen lösen laut Mikl-Leitner das gegenwärtige Flüchtlingsproblem nicht. Es brauche eine europäische Lösung durch Sicherung der EU-Außengrenze sowie "Hotspots" zur vollständigen Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten, sagte sie Donnerstagabend in Luxemburg. "Es braucht kein einziger Mitgliedsstaat glauben, dass er mit einer Grenzkontrolle das Problem löst", sagte Mikl-Leitner. Es müsse an den "Hotspots", welche die EU in Italien und Griechenland einrichten will, unterschieden werden zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen.

Tschechien verschärft unterdessen seine Kontrollen an der Grenze zu Österreich. Ab Samstag würden Beamte alle 20 statt bisher 14 Grenzübergänge besetzen, um Fahrzeuge stichprobenartig zu kontrollieren, teilte das Innenministerium in Prag am Donnerstagabend mit. Zudem würden mehr Polizisten eingesetzt. Sollte Österreich seine Grenzen für Flüchtlinge schließen, sei Tschechien bereit, diesem Beispiel zu folgen.

Innenminister Milan Chovanec sagte der Onlineausgabe der Zeitung "Pravo", er habe aus diplomatischen Quellen Informationen, dass es nach der Wahl in Wien an diesem Wochenende zu der Grenzschließung kommen könnte. Die Flüchtlinge würden dann über Tschechien versuchen, nach Deutschland zu kommen, "und wir würden alles tun, um das zu verhindern", fügte der Sozialdemokrat hinzu. Innerhalb von fünf Stunden könnten 500 Polizisten und 300 Soldaten an die Grenzen geschickt und Züge gestoppt werden.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte in Luxemburg, es brauche mehr Hilfe an Ort und Stelle. Dort könne die EU auch bei den Fluchtursachen ansetzen. "Wenn wir keine Grenzsicherheit an den EU-Außengrenzen zustande bringen, dann werden mehr und mehr Staaten das fortsetzen, was sie schon begonnen haben, nämlich selbst Grenzkontrollen durchzuführen und das ist nicht im Sinne des europäischen Gedankens", sagte Kurz.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erteilte unterdessen innereuropäischer Abschottung zur Abwehr von Flüchtlingen eine Absage. "Europa hatte lang genug eine Mauer", sagte Juncker am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der "Passauer Neuen Presse" in Passau. "Wir brauchen keine neuen Mauern und schon gar nicht zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union."

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warb an der CDU-Parteibasis für ihren Kurs in der Flüchtlingskrise. "Wir brauchen den Geist der Zuversicht", sagte Merkel am Donnerstagabend bei einer CDU-Konferenz in Wuppertal. In diesen Tagen und Monaten entscheide sich, wie Deutschland mit dieser Herausforderung fertig werde. Es sei eine "wahnsinnige nationale Kraftanstrengung". Es handle sich sicher um die "schwierigste Aufgabe seit der deutschen Einheit". Merkel hob hervor, diejenigen, die vor Terror oder Krieg fliehen, "sollen bei uns willkommen sein".