Es gelte, dringlich zu reagieren, betonte Hollande. "Niemand kann die Augen verschließen gegenüber den Realität der Welt. Es gibt keine Grenzen, die stark genug sind, keinen Stacheldraht, der hoch genug ist, gegenüber den Herausforderungen und Gefahren, die auf uns zukommen".

Es gebe keine andere Lösung als ein starkes Europa, um die eigene Souveränität zu garantieren. Die sei notwendig angesichts der Terrorbedrohung, des Kriegs in der Ukraine und der Lage in Syrien, "wo das Assad-Regime eine Katastrophe geschaffen und gespeist hat. Dort wird noch heute massakriert." Er fordere ganz Europa auf, Druck für einen politischen Übergang zu schaffen. Hollande warnte vor einem "totalen Krieg" im Nahen Osten. Wenn Europa zulasse, dass sich die religiösen Konfrontationen in der Region noch weiter verschärften, könne der Konflikt sogar Europa erreichen.

Konkret forderte der französische Präsident dazu auf, an einer politischen Lösung zu arbeiten, die eine Alternative zu Syriens Machthaber Bashar al-Assad und der Terrormiliz "Islamischer Staat "(IS) sei. Es sei nicht möglich, die moderate und demokratische Opposition mit dem "Henker des eigenen Volkes" zusammenzubringen. Merkel hatte zuletzt Gespräche mit Assad nicht mehr ausgeschlossen.

Die deutsche Bundeskanzlerin bezeichnete die Flüchtlingskrise als eine "Bewährungsprobe historischen Ausmaßes". Europa könne sich nicht von globalen Ereignissen entkoppeln. Ebenso wie Hollande rief sie zu Solidarität unter den EU-Staaten bei der Aufteilung der Flüchtlinge auf. Das Dichtmachen von nationalen Grenzen sei der falsche Weg. "Abschottungen und Abriegelungen im Zeitalter des Internet sind eine Illusion." Damit würde kein Problem gelöst, sondern es entstünden damit noch gravierendere Schwierigkeiten. Außerdem "gehen damit unsere Werte verloren. Wenn wir das missachten, verraten wir uns selbst, nicht mehr und nicht weniger."

Merkel verwies darauf, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie so viele Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung gewesen seien wie heute. "60 Millionen Menschen. Niemand verlässt seine Heimat leichtfertig, auch nicht die, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen." Aber "denen müssen wir auch sagen, dass sie nicht bei uns bleiben können, damit wir jenen wirklich helfen können, die tatsächlich Schutz vor Krieg und Verfolgung brauchen".

Bei der Lösung der Krise werde die Türkei eine "Schlüsselrolle" spielen. Die Türkei sei unmittelbarer Nachbar der EU und der Ausgangspunkt der "irregulären" Migration. Gleichzeitig leiste die Türkei "außergewöhnliche Arbeit für zwei Millionen Flüchtlinge". Auch Hollande forderte eine Zusammenarbeit mit der Türkei. "Wir müssen der Türkei helfen, wenn wir wollen, dass sie uns hilft", bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Das Dublin-System sieht Merkel als de facto gescheitert an. "In der jetzigen Praxis ist es obsolet, seien wir ehrlich. Es war in der Tat gut gemeint, aber unterm Strich hat sich das als nicht tragfähig erwiesen. Ich setze mich für ein neues Vorgehen für Fairness und Solidarität in der Lastenverteilung" ein. Abgesehen davon dürften Flüchtlinge aber nicht als "anonyme Masse behandelt werden, egal, ob sie eine Bleibeperspektive haben oder nicht".

Hollande wandte sich gegen ein Rütteln an Schengen. Eine Rückkehr zu nationalen Grenzen sei der falsche Weg. Er forderte auch ein gemeinsames Asylsystem in der EU. Es gehe um ein "nach vorne gehen oder ein Zurückrollen".

"Ich kann die Forderungen nach Solidarität von Merkel zu 100 Prozent unterstreichen. Eine gemeinsame solidarische europäische Asylpolitik kann nur die Lösung sein", kommentierte die NEOS-EU-Abgeordnete Angelika Mlinar in einer Aussendung. "Alle 28 Mitgliedstaaten haben in meinen Augen die Pflicht, sich an der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen zu beteiligen." Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen erklärte: "Es ist richtig, dass Deutschland und Frankreich unter der Führung von Merkel an einem Strang ziehen und für eine Koalition der Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik der EU eintreten."