Gefragt, wie er Bestrebungen in Österreich sehe, den Familiennachzug von anerkannten Flüchtlingen zu erschweren, sagte Türk: "Ich glaube, wenn es um die Familienzusammenführung geht, ist es auch wichtig zu bedenken, dass viele Menschen, die versuchen, nach Europa zu kommen, auch deshalb kommen, weil sie mit Familienangehörigen Verbindung finden wollen. Es ist aus unserer Sicht ganz besonders wichtig, dass man die Familienzusammenführung eher erleichtert als erschwert." Man müsse die Möglichkeit der humanitären Aufnahme eher fördern, sagte er. Ein Gesetzesentwurf des ÖVP-geführten Innenministeriums sieht vor allem Erschwernisse für subsidiär Schutzberechtigte vor, ihre Familien nach Österreich zu holen.

Zu Spekulationen, wonach in den nächsten Jahren möglicherweise noch weitere drei Millionen Flüchtlinge nach Europa kommen könnten, äußerte sich Türk zurückhaltend: "Ich glaube, wenn es um Spekulationen geht, muss man einen sehr ruhigen Kopf bewahren." Die Situation in Syrien sei natürlich "ganz besonders schwierig". "Und solange es keine politische Lösung in Syrien gibt, muss man sich damit auseinandersetzen, dass in die Nachbarländer von Syrien - das heißt, Türkei, Libanon, Jordanien - wahrscheinlich mehr Flüchtlinge kommen. Davon ist auch natürlich Europa betroffen."

In den nächsten Monaten rechnet Türk aufgrund der winterlichen Wetterverhältnisse mit einem Rückgang der Flüchtlingsbewegungen. "Aber wenn dieser Konflikt in Syrien politisch nicht gelöst wird, muss man davon ausgehen, dass nächstes Jahr wieder Menschen nach Europa kommen."

Für Österreich fand Türk gleichzeitig ausdrücklich auch lobende Worte: "Zuerst einmal Hut ab vor Österreich - ich war sehr beeindruck von den Privatinitiativen (...) , auch von der Regierung und was die Behörden bewältigt haben."

Zu Bestrebungen, die Außengrenzen der EU stärker abzuschotten sagte Türk, es gebe internationale Verpflichtungen: Wenn jemand um Asyl ansucht, müsse man sich mit dessen Schicksal auseinandersetzen. "Ich glaube nicht, dass man mit einer Abschottungspolitik eine humane und gerechte Flüchtlingspolitik in Europa schaffen kann." U.a. forderte er die Schaffung von gerechten Verteilungsschlüsseln innerhalb Europas.