Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich in der Debatte über die Berücksichtigung der Kosten der Flüchtlingskrise bei der Berechnung der EU-Budgetdefizite im Falle Österreichs offen gezeigt. Österreich trage eine "besondere Last", sagte er am Montag vor Beginn der Eurogruppe. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) forderte neuerlich die Anrechnung der Ausgaben im Stabilitätspakt.

"Ich finde, Österreich hat eine besondere Last, so wie Deutschland. Das ist völlig in Ordnung, dass er (Schelling) sagt, damit muss ich ja irgendwie umgehen", sagte Schäuble am Montag in Luxemburg.

Schelling bezifferte die Kosten durch die Flüchtlingskrise für Österreich im kommenden Jahr auf rund eine Milliarde Euro, was etwa 0,3 Prozent des Budgets entspreche. Er zeigte sich zuversichtlich, mit der Kommission eine Einigung zu erzielen. "Wir müssen sicher sein, dass das nicht angerechnet wird." Österreich werde demnächst sein Budget nach Brüssel übermitteln.

Belgien warnt vor Aufweichung

Belgien warnte vor einer Aufweichung der Defizitregeln: "Wir sollten sehr vorsichtig dabei sein, den Stabilitäts- und Wachstumspakt immer anzupassen, wenn etwas passiert", sagte der belgische Finanzminister Johan van Overtveldt. "Es passiert immer etwas in der Welt, und der Stabilitätspakt ist ein sehr integraler Bestandteil der Währungsunion." Schäuble warnte seinerseits vor Trittbrettfahrern: Es sei "etwas merkwürdig", wenn Länder, "die sich in der Flüchtlingsfrage noch gar nicht besonders engagiert haben", nun glaubten, die geltenden Regeln des Paktes könnten aufgeweicht werden.

Auch aus Frankreich waren Stimmen laut geworden, die Ausnahmen forderten. Das Land nimmt aber im Vergleich zu Deutschland nur ein Bruchteil der Flüchtlinge auf. Frankreich hadert schon länger mit der Einhaltung der Vorgaben im Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU.

Die Brüsseler Behörde gibt für jedes Land vor, wie stark das strukturelle Defizit, also der Haushalt ohne Berücksichtigung konjunktureller Schwankungen, abgebaut werden muss. Daneben müssen alle Mitgliedsländer die Neuverschuldung unter der Marke von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts halten und den Schuldenberg auf nicht mehr als 60 Prozent des BIP anwachsen lassen.

Türkei im Gespräch mit Brüssel

In Brüssel selbst weilte am Montag der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Die Türkei ist ein wichtiges Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Die EU will daher stärker mit der Regierung in Ankara zusammenarbeiten. Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, EU-Gipfelchef Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker waren geplant.

Nach Berichten der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) liegt schon ein Plan zur besseren Zusammenarbeit auf dem Tisch. Gemäß dem Plan verpflichte sich die Regierung in Ankara, die Grenze zu Griechenland besser zu sichern, schrieb die Zeitung. Zu diesem Zweck sollten die türkische und die griechische Küstenwache gemeinsam in der östlichen Ägäis patrouillieren, koordiniert von der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Die Patrouillen sollen dem Bericht zufolge gegen Schlepper vorgehen und alle Flüchtlinge in die Türkei zurückführen. Dort sollten sechs neue Flüchtlingslager für bis zu zwei Millionen Menschen entstehen, die von der EU mitfinanziert werden, hieß es weiter. Die EU-Staaten würden sich gemäß dem Vorhaben verpflichten, einen Teil der Flüchtlinge aufzunehmen.

Frontex fordert mehr Personal

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex forderte unterdessen von den Mitgliedstaaten deutlich mehr Personal zur Verstärkung ihrer Kontrollen an den Außengrenzen. Frontex benötige vor allem zum Einsatz in Italien und Griechenland 775 zusätzliche Grenzschutzbeamte, erklärte die Behörde am Montag in Warschau. Damit würde die Anzahl der eingesetzten Frontex-Grenzschützer fast verdoppelt. Die zusätzlichen Einsatzkräfte würden zur Registrierung von Menschen benötigt, die aus Libyen und aus der Türkei kommen. "470.000 Flüchtlinge sind dieses Jahr in Griechenland und in Italien eingetroffen. Kein Land ist mit eigenen Mitteln in der Lage, mit einem solchen Druck umzugehen", meinte Frontex-Chef Fabrice Leggeri.

Auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) sucht 374 Experten für die geplanten elf Registrierungszentren für Flüchtlinge, sogenannter "Hotspots", in Italien und Griechenland. Es sei die größte Ausschreibung in der Geschichte der EASO, die 2011 gegründet wurde, so die Organisation mit Sitz in Malta. Die Experten, die von den EU-Mitgliedsländern abgestellt werden, sollen die italienischen und griechischen Behörden bei der Registrierung von Schutzsuchenden unterstützen.

Österreich will bis zu 100 Experten nach Griechenland entsenden, um beim Aufbau des dortigen Hotspots zu helfen. In diesen Zentren sollen Ankommende aber nicht zur mittels Fingerabdrücken erfasst werden, sondern auch bereits sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge ausgesiebt und unmittelbar zurückgeschickt werden. Bis Ende November sollen sie einsatzbereit sein.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) reist am Dienstag nach Griechenland, um sich ein Bild über die Bedingungen des geplanten Registrierungszentrums auf der Insel Lesbos zu machen. Er trifft dort den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras.