Sadam, Shahan und Kamrul sitzen am Freitagmittag im Schatten des Ostbahnhofs in Budapest. Die jungen Männer aus Indien und Bangladesch warten hier seit Tagen wie weitere tausende Migranten auf eine Weiterreise in den Westen. Plötzlich wird zusammengepackt, werden Decken verstaut und Schuhe angezogen. "Come - Come" - und es geht in Richtung Bahnhofsvorplatz.

Hier strömen Migranten aus der Unterführung des Bahnhofs, Männer geben auf Arabisch Anweisungen - schreien zugleich Go-Go!

Aus der Transitzone in der Unterführung des Bahnhofs ziehen die Menschen los. Tragen ihr einziges Hab und Gut in Plastiktaschen, in Decken gebunden, in Rucksäcken - auf dem Kopf, dem Rücken, in den Händen. "Wo wollt Ihr hin", fragen Journalisten. Die Antwort: "Austria". Der Zug marschiert durch die Innenstadt, mit einer Fröhlichkeit, die die bisherige Traurigkeit, Aussichtslosigkeit und Wut verdrängt. Die Migranten lachen, freuen sich, dass endlich etwas geschieht. "Wir lassen uns nicht mehr aufhalten, wir sind Tausende, die hier marschieren", meint der 20-jährige Munr. Ungarn wolle sie nicht und sie wollten nicht in Ungarn bleiben, sondern nach Deutschland.

Die Polizei begleitet den Marsch, gewährt ihm sicheres Geleit an den Kreuzungen in Richtung Elisabeth-Brücke. Aus Bussen und Autos winken Menschen, machen das Siegeszeichen "Viktoria". Die Hitze ist groß. Nahe der Zufahrtstraße zur Autobahn gibt es eine Pause, zehn Minuten, wegen der vielen kleinen Kinder. Das Trinkwasser wird knapp, Hilfsorganisationen zunächst nirgendwo zu sehen. An einer Nebenstraße hält ein offener Sportwagen an, voll mit Mineralwasserflaschen, die der Fahrer verteilt.

Streit um Essen und Wasser

Die den Zug begleitenden Polizisten halten sich zurück, sorgen lediglich für das sichere Fortkommen, greifen nur einmal ein, als es unter den Migranten wegen Wasser und Essen zum Streit kommt. Wie weit "Austria" noch sei, wird immer wieder gefragt. Die Antwort, so an die 200 km, kann die Flüchtlinge nicht schocken. "Wir haben tausende Kilometer zurückgelegt", erklärt ein syrischer Vater, der seine dreijährige Tochter auf den Schultern trägt. "Wir werden die österreichische Grenze noch heute erreichen, wenn man uns nicht aufhält". Und der Zug entschlossener Menschen zieht weiter auf dem Pannenstreifen der Autobahn M1. Am Ende alte und gebrechliche Menschen, die sich in der Hitze mühsam hinschleppen.

Zurück am Ostbahnhof. In der Transitzone sitzen, liegen immerhin noch rund 2.000 Flüchtlinge. Darunter ist auch Rania aus Syrien. Warum sie nicht mit den Migrantenzug in Richtung Österreich marschierte? "Schau her, wir haben drei kleine Kinder, das wäre viel zu anstrengend." Sie und ihre Familie wollen sich in der Nacht auf den Weg machen, mit dem Taxi hinterherfahren, sich dann dem Marsch anschließen. Drei Männer aus Afghanistan fragen nach der Polizei, ob diese den Zug nicht gestoppt hätte. Denn bisher hätte es immer ein böses Ende genommen, wenn der Anfang so hoffnungsvoll aussah.