Die EU streitet seit Monaten über dieses Thema. Bisher war selbst eine freiwillige Verteilungsquote, wie sie im Mai von der EU beschlossen worden war, am Widerstand vor allem osteuropäischer Länder gescheitert. Am Freitag kommen in Prag (ab 15.00 Uhr) die Regierungschefs von Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn zusammen, um ihre Flüchtlingspolitik abzustimmen. Die Länder waren zuletzt scharfer Kritik ausgesetzt, weil sie verbindliche Quoten ablehnen.

Mit der gemeinsamen Quoten-Initiative fanden Deutschland und Frankreich erstmals einen gemeinsamen Kurs in der Flüchtlingskrise. Wirtschaftskraft und Größe eines Landes müssten bei einer solchen Quote "natürlich" beachtet werden, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Frankreichs Präsident Francois Hollande sprach in Paris von einem "permanenten und verbindlichen Mechanismus" für die Aufnahme. Frankreich hatte feste Quoten bisher immer abgelehnt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach sich am Donnerstag dafür aus, deutlich mehr Flüchtlinge umzuverteilen als bisher vorgesehen. "Was wir brauchen, ist eine faire Verteilung von mindestens 100.000 Flüchtlingen unter den Mitgliedstaaten", sagte der Pole. Gleichzeitig müsse Europa aber mehr tun, um seine Grenzen zu sichern, ergänzte Tusk.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sieht die Europäische Union für die steigenden Flüchtlingszahlen gerüstet. "Wir haben die wirtschaftliche Kraft dieses Problem zu lösen", sagte Dijsselbloem bei einem Vortrag Donnerstagabend in Alpbach. Griechenland, Italien, Ungarn, Deutschland oder Österreich könnten die Flüchtlingskrise aber nicht alleine bewältigen.

Am 14. September kommen die Innen- und Justizminister der 28 EU-Staaten zu einem Sondertreffen zusammen, um über den Verteilungsstreit zu beraten. Als zuständige Institution will bis dahin auch die EU-Kommission neue Vorschläge zur Verteilung von Flüchtlingen vorlegen. Die USA stellten klar, Europa müsse mit der wachsenden Flüchtlingszahl aus dem Mittleren Osten und Nordafrika selber fertig werden.

Der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans und der für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos reisen am Freitag auf die griechische Insel Kos. Dort wollen sie sich ein Bild von der Lage der Migranten machen, die tagelang unter sengender Sonne auf eine Fähre warten, die sie zum griechischen Festland bringen soll.

In Ungarn herrschten wegen der großen Zahl von Flüchtlingen zuletzt chaotische Zustände. In der Stadt Bicske wehrten sich am Abend rund 500 Menschen gegen den Transport in ein Flüchtlingslager. Sie waren an der Weiterreise per Zug nach Westen gehindert worden. Am Bahnhof in Budapest haben am Donnerstagabend rund 300 Flüchtlinge einen Sitzstreik begonnen. Sie forderten wie der Großteil der über die Westbalkan-Route nach Ungarn gelangten Flüchtlinge nach Deutschland ausreisen zu können.

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban - der nach der Fertigstellung des Zaunes an der serbisch-ungarisch Grenze, am Donnerstag auch einen an der Grenze zum EU-Nachbarn Kroatien ankündigte - sieht die Ursachen der jüngsten Zuspitzung der Flüchtlingskrise in Deutschland. "Das Problem ist nicht ein europäisches Problem, das Problem ist ein deutsches Problem", sagte Orban am Donnerstag. Merkel wies die Vorwürfe Orbans umgehend zurück.

Die Flüchtlingsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Aydan Özoguz, ermahnt Ungarn, Flüchtlinge nicht wieder tatenlos Richtung Deutschland durchreisen zu lassen. "Wir erwarten, dass Ungarn die Flüchtlinge im eigenen Land registriert und entsprechend der europäischen Standards behandelt. Dabei können wir durchaus auch Hilfe leisten", sagte die SPD-Politikerin der "Nordwest-Zeitung" (Freitag). Das eigentliche Problem sei nämlich, dass die Bedingungen für Flüchtlinge in manchen EU-Staaten so schlimm seien, dass die Migranten alles versuchen, um dort wegzukommen.

Die Situation in Ungarn sorgte derzeit auch für Spannungen mit Österreich. Angesichts dessen zitiert Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) für Freitag den ungarischen Botschafter ins Kanzleramt. "Die Genfer Menschenrechtskonvention ist von allen Staaten der EU zu respektieren", sagte Faymann am Donnerstag. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) wird am ebenfalls Freitag seinen ungarischen Amtskollegen Peter Szijjarto zu einer Aussprache treffen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) trifft in Skopje mit ihren Amtskollegen aus Ungarn, Mazedonien und Serbien.