Nur rund 40 Kilometer westlich der ungarischen Hauptstadt hielt die ungarische Polizei einen Zug Richtung Sopron mit Hunderten Flüchtlingen an Bord an und forderte die Reisenden zum Aussteigen auf. In der ungarischen Stadt Bicske warteten laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI Polizisten, Dolmetscher und rund 20 Busse auf die Flüchtlinge, um sie in das nahegelegene Flüchtlingslager zu bringen. Zahlreiche Migranten weigerten sich in die Busse zu steigen. Viele Flüchtlinge schlugen gegen die Fenster und riefen "Kein Lager, kein Lager", wie ein Reuters-Reporter berichtet.

Flüchtlinge, die sich auf die Gleise gelegt hatten, wurden festgenommen. Auch ein zweiter Zug Richtung Györ wurde in Bicske gestoppt. Vor der Abfahrt aus Budapest drängten noch zahlreiche Menschen aus den Waggons, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass sie dieser Zug auch nicht nach Deutschland bringen würde, sondern in ein Flüchtlingslager fahren werde.

Den Ort Bicske riegelte die Polizei ab und erklärte ihn zum Einsatzgebiet. Die Medienvertreter wurden zum Verlassen aufgefordert. Laut einem Reuters-Reporter setzte die Polizei auch Schlagstöcke ein, um Journalisten zu vertreiben.

Die Flüchtlinge waren am Vormittag am Budapester Ostbahnhof in den Zug gedrängt. Als Ziel wurde die ungarische Grenzstadt Sopron genannt. Über Österreich sollten die Flüchtlinge nach München gebracht werden, hatte ein Polizist am Bahnsteig gegenüber der APA erklärt. Zugleich hatte die ungarische Eisenbahngesellschaft MAV erklärt, es gebe bis auf Weiteres keine direkten Züge von Budapest nach Westeuropa. Am Vormittag fuhren auch keine Züge von Österreich direkt in die ungarische Hauptstadt.

Auch die tschechische Eisenbahn CD teilte mit, dass die internationalen Eurocity-Zugverbindungen von Berlin über Prag nach Budapest seit Donnerstagvormittag im ungarischen Grenzbahnhof Szob beginnen oder enden. In Szob müssten die Reisenden in Regionalzüge umsteigen.

Bei der ÖBB herrschte Unklarheit über die Planungen in Ungarn. Über den Sonderzug nach Sopron sei man nicht informiert worden, sagte ÖBB-Sprecher Michael Braun gegenüber der APA. Allerdings wurden Vorbereitungen getroffen für den Fall, dass die ungarische Bahn doch noch Züge von Budapest nach Sopron führen sollte. "Dann werden wir Doppelstockzüge, die derzeit in Wulkaprodersdorf stehen bleiben, nach Sopron verlängern", so Braun. Auf ihrer Homepage rieten die ÖBB generell von Bahnreisen nach Ungarn ab. Auch die Bahnhöfe in Salzburg und Wien bereiteten sich auf einen möglichen neuerlichen Flüchtlingsansturm vor.

Da es keine Informationen über den Gesundheitszustand der Flüchtlinge gibt, ist die Berufsrettung Wien - MA 70 vorsorglich bereits mit Spezialfahrzeugen sowie Rettungstransportwagen zu Hauptbahnhof bzw. Westbahnhof ausgerückt. In den beiden Großraum-Fahrzeugen K2 und K3 können jeweils bis zu 15 Personen gleichzeitig untersucht und erstversorgt werden. Unterdessen schickte die Caritas Mitarbeiter nach Sopron und Budapest, "damit wir uns ein besseres Bild machen können, sagte Sabine Wartha, Leiterin Caritas Katastrophenhilfe, im Gespräch mit der APA. In Budapest soll abgeklärt werden, was die Flüchtlinge am dringendsten benötigen.

Am Bahnhof in Sopron gab es keinerlei Hinweise darauf, dass Züge mit Flüchtlingen aus Budapest ankommen werden. Weder wurde das Bahnpersonal aufgestockt noch Exekutivkräfte hinzugezogen, auch die Bahnhofsdirektion hatte keinerlei Information über einen "Flüchtlingszug".

Nachdem die Flüchtlinge in Bicske aus den Zügen geholt wurden, kam es in Budapest vor dem Bahnhof erneut zu lautstarken Protesten von Flüchtlingen. "Germany, Germany!" skandierten rund 100 junge Männer. Die Polizei nahm im Inneren des Gebäudes mit Helmen und Schlagstöcken Aufstellung. In Richtung Gebäude drängten die Migranten vorerst nicht.