Die EU-Regierungen müssten die Flüchtlingskrise "ernsthaft angehen", so Tusk. Er rief alle EU-Staats- und Regierungschefs auf, "ihre Anstrengungen zu verdoppeln" und "Solidarität" mit den Ländern zu zeigen, die Hauptziel der Flüchtlinge seien.

Gleichzeitig müsse Europa mehr tun, um seine Grenzen zu sichern, sagte der Ratspräsident. "Wir müssen die Eindämmung der Migrationswelle ernsthaft angehen, indem wir unsere Grenzen stärken und uns die Schlüssel zu unserem Europa von Schmugglern und Mördern zurückholen." Aus seiner Sicht schlössen einander "die Herangehensweisen von Solidarität und Eindämmung" nicht aus. Tusk warnte, es wäre "unverzeihlich", wenn Europa sich in Verfechter der Eindämmung und Verfechter der Öffnung der Grenzen spalte.

Bisher haben sich die EU-Staaten darauf geeinigt, rund 32.000 Asylsuchende aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Die EU-Kommission peilte bisher die Verteilung von 40.000 Menschen an. In der kommenden Woche wird die Brüsseler Behörde voraussichtlich neue Vorschläge präsentieren. Eine Reihe von EU-Staaten sind gegen verbindliche Verteilungsschlüssel. Tusk forderte die Mitgliedsstaaten zudem dazu auf, mehr Geld zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bereitzustellen.

Nach einem Bericht der deutschen Zeitung "Die Welt" will die EU-Kommission angesichts der weiteren Zuspitzung der Krise nun die verpflichtende Verteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Ungarn, Italien und Griechenland vorschlagen. Wie das Blatt am Donnerstag im Voraus unter Berufung auf hohe informierte EU-Kreise berichtet, sollen 54.000 Flüchtlinge aus Ungarn, 50.400 aus Griechenland und 15.600 Flüchtlinge aus Italien umverteilt werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werde am Mittwoch bei seiner Rede zur Lage der Union im EU-Parlament in Straßburg einen entsprechenden Vorschlag machen.

Der Verteilungsschlüssel solle sich nach Bevölkerungszahl (40 Prozent), Wirtschaftskraft (40 Prozent), Arbeitslosenzahl (zehn Prozent) und den bisherigen Leistungen bei der Aufnahme von Asylsuchenden richten, hieß es in dem "Welt"-Bericht weiter.

Widerstand gegen diese Regelung gab es unter anderem von Polen. Ministerpräsidentin Ewa Kopacz bekräftigte ihr Nein zu einer Verteilung von Flüchtlingen, zugleich aber Bereitschaft zu einer Aufnahme auf freiwilliger Basis signalisiert. "Wir sind gegen automatische Quoten, aber bereit, das Ausmaß unseres Engagements nach dem Prinzip der Freiwilligkeit zu diskutieren", erklärte Kopacz am Donnerstag in Warschau. Die Regierungschefin verwies zudem darauf, dass zwischen "Wirtschaftsflüchtlingen" und solchen, die vor Krieg und unter Lebensgefahr flüchteten, unterschieden werden müsse. Polen hatte sich zur Aufnahme von 2.200 Flüchtlingen bereit erklärt, die EU-Partner verlangten aber ein deutlich größeres Engagement.