Die Türkei fliegt seit einigen Tagen Luftangriffe gegen Stellungen der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und der in dem Land verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak. Für Dienstag ist eine von Ankara beantragte Sondersitzung der NATO-Botschafter angesetzt. Vor dem Sondertreffen wächst allerdings die Kritik deutscher Politiker an dem Vorgehen Ankaras.

Besorgt über türkische Angriffe

Nach einem Anschlag im Osten der Türkei erlag ein Mitglied der Gendarmerie seinen Verletzungen. Der Provinzgouverneur machte "Terroristen" dafür verantwortlich, zu dem Angriff bekannte sich zunächst niemand. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich indes besorgt über die türkischen Luftangriffe auf die PKK.

Auf Antrag der Türkei kommen am Dienstag in Brüssel die Botschafter der 28 NATO-Staaten zusammen. Ankara hat Beratungen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags verlangt. Dieser Artikel sieht Konsultationen vor, wenn ein NATO-Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Ob es nach dem Treffen eine gemeinsame Erklärung oder eine Mitteilung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geben würde, stand im Vorfeld nicht fest.

Anlass für das Treffen ist nach NATO-Angaben der Ernst der Lage in der Türkei nach den Terrorangriffen der vergangenen Tage. Dabei war es zu Dutzenden Toten gekommen. Es gab auch Gefechte mit IS-Kämpfern an der syrisch-türkischen Grenze.

Kritik an Art und Weise

Deutsche Politiker kritisieren zunehmend die Art und Weise des Vorgehens von Ankara gegen IS-Jihadisten sowie PKK-Anhänger. "Die Türkei sollte sich endlich für eine einheitliche Strategie entscheiden und nicht gleichzeitig den Islamischen Staat und dessen Gegner bekämpfen", sagte der deutsche Politiker Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der "Welt". Er forderte eine diplomatische Offensive von EU, USA und der Türkei im Nahen Osten, um die Kämpfe zu beenden. "Die Türkei war zuletzt Rückzugsort und Transferland von Kämpfern des Islamischen Staats", sagte Brok. Die türkische Regierung müsse erkennen, dass der IS ihr Hauptfeind sei.

Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, übte Kritik am Vorgehen der Türkei. "Die erste Priorität der türkischen Politik scheint darin zu bestehen, einen kurdischen Staat zu verhindern", sagte Annen der "Welt" (Dienstag). Die türkische Regierung bekämpfe "mit den Kurden die Kräfte, die den IS bisher am effektivsten zurückgedrängt haben. Sie kämpft gegen den IS - und gegen diejenigen, die den IS bekämpfen. Wo ist da die Strategie?", fragte Annen.

Die türkischen Luftschläge im Irak und in Syrien haben zunächst keinen Einfluss auf den Einsatz der deutschen Bundeswehr im Süden der Türkei. Die Aufgabe der deutschen "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln dort sei es, die Region um die Stadt Kahramanmaras vor Angriffen aus Syrien zu schützen, sagte Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montagabend bei einem Besuch in Mali. "Diese Aufgabe bleibt bestehen." Die Soldaten seien auch weit genug vom Zielort der Luftangriffe entfernt.

Nach einem Anschlag in der osttürkischen Provinz Mus erlag ein Mitglied der türkischen Gendarmerie seinen schweren Verletzungen. "Terroristen" hätten das Auto des Mannes am Montagabend beschossen, berichtete die Nachrichtenagentur DHA unter Berufung auf den Provinzgouverneur. Im Wagen hätten sich auch die Ehefrau und die Tochter des Opfers befunden. Die Frau sei leicht verletzt worden. Die Familie sei auf dem Rückweg von einem Besuch bei Freunden gewesen. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag.

DHA berichtete weiter, in der Provinz Agri nahe der iranischen Grenze hätten PKK-Mitglieder eine aus dem Iran in die Türkei führende Gasleitung in Brand gesetzt. Daraufhin sei es zu einer Explosion gekommen. Die PKK äußerte sich zunächst nicht zu dem angeblichen Sabotageakt.

Ban hofft indes auf eine sofortige Rückkehr zu konstruktivem Dialog, so dass eine friedliche Lösung gefunden werden könne, wie er in einer Mitteilung der Vereinten Nationen in New York am Montag erklärte. De UNO-Generalsekretär rief alle Beteiligten dazu auf, nicht zurückzukehren zu einem "tödlichen Konflikt, der den Menschen in der Türkei in der Vergangenheit schon so viel Leid zugefügt hat".