Stiefgroßmutter Sarah Obama würde ihren Enkel gerne treffen.  Außerdem wünscht sie sich, dass er das Grab seines Vaters in dessen Heimatdorf Kogelo im Westen des Landes besucht. "Er wird kommen. Das ist mein Wunsch", sagte Sarah.

Obama wird am Freitag das erste Mal während seiner Amtszeit als Präsident nach Kenia und von dort weiter nach Äthiopien reisen. In Kogelo leben mehrere seiner Verwandten. Doch auf sie wartet eine Enttäuschung: Ein Abstecher dorthin ist bei dem zweitägigen Besuch nach Angaben der US-Regierung bisher gar nicht geplant - zu komplex sind Programm und Sicherheitsmaßnahmen.

Der teils als "mächtigster Mann der Welt" betitelte Präsident reist Medienberichten zufolge mit einer rund 700 Mann starken Entourage an, von persönlichen Beratern über Secret-Service-Agenten bis zu Hundeführern für Sprengstoff-Kontrollen und den hauseigenen Köchen. Seine Cadillac-Limousine namens "The Beast" wird für den Kurzbesuch ebenso eingeflogen wie ein ganzer Fuhrpark des Weißen Hauses. Wegen der Angst vor Terroranschlägen wird Obama wie in einem unsichtbaren Panzer durch Nairobi rollen. Sein Besuch beim Global Entrepreneurship Summit in Nairobi ist die erste Visite eines amerikanischen Präsidenten in Kenia. 

Der Vater als Mythos

Dabei gibt es reichlich Familiengeschichte, die der 53-Jährige im Heimatland seines Vaters abseits der politischen Agenda auffrischen könnte. Weil Vater Barack Obama senior in seinem wechselhaften Leben bereits zwei Jahre nach der Geburt seines Sohnes auf Hawaii nach Kenia zurückkehrte, schuf der junge Barack sich das Bild seines Vaters aus Erzählungen. Einzig im Alter von zehn Jahren erlebt er für einen Monat den stolzen und ehrgeizigen, aber auch etwas ziellos lebenden Mann, der 1982 bei einem Autounfall ums Leben kommt. "Mein Vater blieb ein Mythos für mich", schreibt Obama über diese Zeit.

Afrika spukt damals noch als große Unbekannte in seinem Kopf herum, wie in Obamas Buch "Ein amerikanischer Traum: Die Geschichte meiner Familie" zu lesen ist. Die als Souvenir mitgebrachten Holzfiguren - ein Löwe, ein Elefant und ein in Stammestracht gekleideter Mann aus Elfenbein mit einer Trommel - nimmt der Bursche beim ersten Treffen mit Obama senior in Hawaii schweigend entgegen. Klassenkameraden erzählt er aber, dass sein Großvater eine Art Indianerhäuptling sei, sein Vater so etwas wie ein Prinz und dessen Stamm voller Krieger. Sein Nachname, fügt der junge Obama hinzu, bedeute "Brennender Speer".

Erst allmählich setzt "Barry", wie ihn sein Vater nannte, das Puzzle über den Kurzzeit-Ehemann seiner aus dem US-Staat Kansas stammenden Mutter Ann Dunham selbst zusammen. "Er war ein Afrikaner, sollte ich erfahren, ein Kenianer des Luo-Stamms, geboren am Vikoria-See in einem Ort namens Alego. Das Dorf war arm, aber sein Vater ... war ein bekannter Bauer, ein Stammälterer, ein Medizinmann mit heilenden Kräften." Obama senior liegt heute im Dorf Kogelo im Westen des Landes begraben - nach einem aufregenden Leben, das ihn an die Harvard-Universität, in ein Zerwürfnis mit dem ehemaligen Präsidenten Jomo Kenyatta und durch drei Ehen mit mindestens fünf Kindern führte.

Vanilleeis und Erdbeer-Kuchen

Viel ist seitdem passiert, und Obama scheint seine kenianische Verwandtschaft angesichts von Krisen, Kriegen und Konflikten in der Welt etwas aus den Augen verloren zu haben. Vom hohen Besuch sei die Familie in Kogelo nicht einmal informiert worden, kritisiert Obamas Halbbruder Malik in einem Interview der Finanznachrichtenagentur Bloomberg. "Ich würde mich einfach gern mit ihm hinsetzen, Vanilleeis oder einen Erdbeerkuchen essen", sagt er. "Ich kenne meine Nichten Malia und Sasha kaum und sie kennen meine Kinder auch nicht."

"Obama Day"

Die Begeisterung und der Stolz dürften sich dennoch überschlagen - die Kenianer feierten die Wahl ihres Volkshelden im November 2008, als seien sie selbst US-Präsidenten geworden und erklärten den "Obama Day" kurzum zum (einmaligen) Nationalfeiertag. Die Bezirksregierung Nairobis hat tief in die Tasche gegriffen, um Straßen auszubessern, Büsche zu trimmen und die Stadt für den hohen Besuch aufzuhübschen.

"Die Kenianer sehen Obama nicht als Afroamerikaner. Sie sehen ihn als Kenia-Amerikaner, vielleicht gar als Luo-Amerikaner", sagt EJ Hogendoorn vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Finanzanalyst Aly Khan Satchu vergleicht die Reise im britischen "Guardian" mit dem Besuch des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy in Irland im Jahr 1963.

Tränen am Grab der Vorfahren

Für das Kaffeekränzchen in Kogelo wird in dem seit Wochen auf die Minute durchgeplanten Besuch keine Zeit bleiben, sagt der kenianische US-Botschafter Robert Godec nach Medienberichten. Den wichtigsten Teil der Spurensuche nach seinen Wurzeln hat Obama nach dem Besuch von 1987 auch schon hinter sich. "Ich saß zwischen den Gräbern meines Vaters und Großvaters und weinte", schreibt er. "Als meine Tränen trockneten, fühlte ich, dass sich der Kreis geschlossen hatte."

1992 stellte Obama dort seine Verlobte Michelle vor, die er im Oktober desselben Jahres heiratete. 2007 kehrte er als Senator des Bundesstaats Illinois zurück und wurde schon damals gehandelt wie der erste schwarze Präsident der USA. Nun dürfte die Aufregung ihren endgültigen Höhepunkt erreicht haben. "Ich werde ehrlich sein: Kenia als Privatbürger zu besuchen bedeutet mir vermutlich mehr", gab Obama kürzlich bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus zu. "Denn ich kann das Hotelzimmer oder Konferenzzentrum tatsächlich verlassen."