Wie geht es nach dem deutlichen Nein in Europa weiter?

Franz Fischler: Es gibt niemanden, nicht einmal Frau Merkel oder Herr Hollande, der weiß, wie es in den nächsten Wochen, Monaten genau weitergeht. Mein Gefühl ist, es wird keinen Paukenschlag geben. Ich fürchte, die griechische Krise wird sich über Monate, vielleicht Jahre dahinziehen. Wir werden eine Art von griechischem Siechtum erleben. Wir sind zum Zuschauen in dem griechischen Drama verurteilt.

Athen wird auf Nachbesserungen pochen, auf die die EU aber nicht eingehen kann?

Fischler: Das ist der Punkt. Die Euro-Finanzminister haben im Vorhinein Nachbesserungen abgelehnt - und sich so in eine Sackgasse manövriert. Am vernünftigsten ist noch die EZB.

Die EZB wird wohl kaum Athen den Geldhahn zudrehen?

Fischler: Das Recht hätte sie. Ich glaube nicht, dass jetzt Unvernunft einkehrt.

Wie man die EU kennt, wird man den Griechen am Ende des Tages entgegenkommen.

Fischler: Das löst das Problem nicht. Nachbesserungen, wie sie Herr Tsipras will, verschieben das griechische Drama um ein halbes Jahr.

Sie meinen den Schuldenschnitt?

Fischler: Der Schuldenschnitt ist der größte Unsinn. Der ändert nichts. Tsipras hat das Volk angeschwindelt. Die Schulden sind bis 2020 eingefroren.

Ist der Grexit wahrscheinlicher geworden?

Fischler: Absolut, nur weiß niemand, wann er eintritt. Es gibt Experten, die meinen, Griechenland sollte für eine Sekunde aus der EU austreten und dann ohne Euro wieder eintreten. Nur stünde Griechenland ohne Zahlungsmittel dar.

Haben die Griechen nicht die EU in die größte Krise gestürzt?

Fischler: Das ist die größte Krise der EU. Nur hat diese Krise Auswirkungen auf das Leben von zehn Millionen Griechen. Gestern ließ sich Tsipras groß feiern. Die Griechen werden rasch herausfinden, dass es ein Pyrrhussieg ist.

INTERVIEW: M. JUNGWIRTH