Griechenland geht mit bangen Erwartungen in die Volksabstimmung über die Sparpolitik. Einen Tag vor dem Referendum an diesem Sonntag sorgten Spekulationen über eine mögliche Kürzung von Bankguthaben für zusätzliche Aufregung. Regierung und Banken traten den Befürchtungen entgegen, dass es aufgrund der dramatischen Finanzkrise des Landes zu Einschnitten bei den Guthaben kommen könnte. Ein Ergebnis soll es am Abend, gegen 20 Uhr, geben.

"Solche Pläne gibt es absolut nicht", sagte die Präsidentin des griechischen Bankenverbandes, Louka Katseli, am Samstag dem TV-Sender "Skai". "Das Szenario einer Kürzung von Bankguthaben gehört in den Bereich der Fantasie", betonte sie.

Nur 60 Euro pro Tag

Die britische Zeitung "Financial Times" hatte unter Berufung auf Bankkreise berichtet, die griechischen Geldinstitute erstellten Pläne, Kürzungen von wenigstens 30 Prozent bei Guthaben von über 8.000 Euro vorzunehmen. Dies solle im Rahmen einer Sanierung des griechischen Finanzsystems geschehen, schrieb das angesehene Blatt in seiner Online-Ausgabe. Das Athener Finanzministerium bezeichnete den Bericht als "Provokation". Damit solle Einfluss genommen werden auf den Ausgang der Volksabstimmung. Griechische Bankkunden können derzeit an den Bankomaten nur 60 Euro pro Tag von ihren Konten abheben. In der kommenden Woche droht den Banken nach Medienberichten das Geld ganz auszugehen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. "Ob mit Euro oder vorübergehend ohne: Diese Frage können nur die Griechen selbst beantworten", sagte er der "Bild"-Zeitung (Samstag-Ausgabe). Offensichtlich im Hinblick auf die in jedem Fall fortbestehende EU-Mitgliedschaft der Griechen fügte er hinzu: "Klar ist auch: Wir werden die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen."

Finanzminister Yanis Varoufakis warf den internationalen Geldgebern unterdessen "Terrorismus" vor und forderte die Bürger zu einem "Oxi" (Nein) auf. "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte der Minister zu den Verhandlungen mit den Gläubigern in einem Interview der spanischen Zeitung "El Mundo" (Samstag-Ausgabe). "Wieso hat man uns dazu gezwungen, die Banken zu schließen? Um den Menschen Angst einzuflößen. Wenn es darum geht, Terror zu verbreiten, dann nennt man das Terrorismus. Aber ich bin sicher, dass die Angst nicht gewinnen wird", sagte Varoufakis. In Brüssel sei schon vor fünf Monaten ein Plan ausgeheckt worden, "um eine Regierung fertigzumachen, die sich vom europäischen Establishment nicht erpressen lässt".

Varoufakis ist "völlig sicher"

Der 54-Jährige äußerte sich zuversichtlich, dass bei einem Sieg des Nein bei der Volksabstimmung Ministerpräsident Alexis Tsipras in Brüssel "ein Abkommen erreichen" werde. "Wenn mein Land zerschellt, wird man eine Billion Euro verlieren. Das ist eine Menge Geld. Ich glaube kaum, dass Europa sich das leisten kann", sagte Varoufakis. Er sei sich "völlig sicher", dass es unabhängig vom Ergebnis des Referendums schon am Montag ein Abkommen geben werde. Am Dienstag würden dann die Banken wieder öffnen.

Bei einem Sieg des Ja werde das Abkommen aber "unheilvolle Auswirkungen" haben. Die Regierung in Athen hatte das eilige Referendum an den Reformvorschlägen der Gläubiger in den geplatzten Gesprächen über die Auszahlung weiterer Milliarden aus dem zweiten Hilfspaket aufgehängt. Das Programm lief allerdings am Dienstag aus und damit auch das Angebot der Eurozone und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dem Votum kommt damit nur die politische Bedeutung zu, ob die Griechen bereit sind, den Reformweg fortzusetzen. In vier am Freitag veröffentlichten Umfragen hatten die Reformbefürworter einen hauchdünnen Vorsprung vor den Nein-Sagern.

Knappe Umfragen

Eine fünfte Umfrage sah die Gegner um 0,5 Prozentpunkte vorne. Damit war offen, wie das Votum ausgehen würde. Wie es nach dem Referendum weitergeht, ist offen. Im Falle eines Sieges für das Ja-Lager könnte die Regierung zurücktreten und das Land auf Neuwahlen zusteuern. Ob es im Falle einer Mehrheit für ein Nein neue Verhandlungen gibt, ist unklar. Während Tsipras im diesem Fall hofft, gestärkt zurück in die Verhandlungen mit den Geldgebern zu gehen, warnte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Nein werde die "griechische Position deutlich schwächen". Schäuble sagte der "Bild"-Zeitung von Samstag, die Verhandlungen würden nach Auslaufen des bisherigen Hilfsprogramms "auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen" stattfinden.