Der Fall hatte in Afghanistan und im Ausland heftige Kritik ausgelöst: Ein Amulettverkäufer hatte fälschlicherweise behauptet, die Afghanin namens Farkhunda habe eine Ausgabe des Korans verbrannt. Eine große Menschenmenge prügelte sie daraufhin im März nahe einer Moschee in Kabul zu Tode. Ihre Leiche wurde in Brand gesteckt und in einen Fluss geworfen.

Im Zusammenhang mit dem Mord nahm die afghanische Polizei seinerzeit 49 Verdächtige fest. In einem über drei Tage live im Fernsehen übertragenen Prozess wurden schließlich drei Angeklagte zum Tode verurteilt, acht weitere erhielten 16-jährige Haftstrafen. Elf Polizisten wurden zu jeweils einem Jahr Haft verurteilt, weil sie der Menschenmenge bei der Ermordung der Frau tatenlos zusahen.

Ein Revisionsgericht hob nun die Todesurteile auf - nach örtlichen Medienberichten in einer Beratung hinter verschlossenen Türen. Die Familie der Getöteten wurde nach Angaben ihres Bruders Mujibulla nicht informiert. Er sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Familie werde die Entscheidung "nicht akzeptieren".

Auch afghanische Aktivisten reagierten empört und kündigten Proteste an. "Der Mangel an Gerechtigkeit und Transparenz ist inakzeptabel", schrieb der Aktivist Ramin Anwari im Kurznachrichtendienst Twitter. Der erste Prozess im Fall Farkhunda war allerdings auch umstritten gewesen: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerte sich seinerzeit besorgt, weil der Prozess binnen weniger Tage abgeschlossen wurde und viele der Angeklagten offenbar keinen Rechtsbeistand hatten.

Afghanistan steht auch nach dem Sturz der islamistischen Taliban vor 14 Jahren immer wieder wegen der Missachtung der Rechte von Frauen in der Kritik. Mitunter fallen aber auch die Urteile gegen Straftäter extrem hart aus: Im vergangenen Oktober etwa waren fünf Afghanen wegen einer Massenvergewaltigung gehenkt worden. Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen hatten damals vergeblich den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani aufgefordert, auf die Exekutionen zu verzichten.