Griechenland wird nach Angaben eines Regierungsvertreters die am Dienstag fällige IWF-Kreditrate von 1,6 Milliarden Euro nicht zahlen. Dies sagten ein griechischer Regierungsvertreter und EU-Währungskommissar Pierre Moscovici am Montagabend übereinstimmend. Dass eine Industrienation seine Kredite beim Internationalen Währungsfonds nicht bedient, ist in der Geschichte des IWF noch nie vorgekommen. Die Nichtzahlung hat allerdings über die Symbolik hinaus erst einmal kaum weiterreichende Folgen.

Auch Kreditausfallversicherungen ignorieren die Nichtbedienung der Rate. Möglich wäre, dass öffentliche Gläubiger wie der Europäische Rettungsfonds EFSF ihre Kredite fällig stellen. Allerdings ist bisher nicht deutlich geworden, dass sie dazu geneigt wären. Beim IWF würde mit dem Ausbleiben der griechischen Zahlung ein mehrstufiges Verfahren eingeleitet: Unmittelbar würde der Fonds das Land zunächst mahnen, seine Schulden unverzüglich zu begleichen. Die Regierung in Athen hätte bis auf weiteres keinen Zugang zu weiteren Ressourcen des Fonds. Dabei sind noch knapp 19 Milliarden Dollar eines bis März 2016 laufenden IWF-Hilfsprogramms „in der Pipeline“, die in den kommenden Monaten zur Auszahlung anstünden.

Konsequenzen folgen erst später

Nach zwei Wochen würde die IWF-Führung gegenüber dem zuständigen IWF-Gouverneur des Landes (Finanzminister Yanis Varoufakis) deutlich machen, wie ernst die Lage ist. Nach einem Monat würde IWF-Chefin Christine Lagarde dann den Vorstand des Fonds über einen Zahlungsverzug unterrichten. Nach zwei Monaten würde Lagarde dem Board eine offizielle Beschwerde wegen des Zahlungsverzugs übermitteln. Erst nach drei Monaten steht die Veröffentlichung einer formellen Erklärung des IWF an. Darin wird festgestellt, dass Griechenland von jeglichen Hilfen und Rückgriffen auf IWF-Mittel abgeschnitten sein wird - bis die versäumten Zahlungsverpflichtungen erfüllt sind.

Langfristig droht dem Land am Ende dieses Prozesses – nach bis zu 18 Monaten – ein Entzug seiner IWF-Stimmrechte und nach bis zu 24 Monaten ein Verfahren zum Ausschluss aus dem Fonds. Das würde ein drittes Hilfspaket für Griechenland verkomplizieren. 

Tür ist noch nicht zu

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist unterdessen für weitere Verhandlungen mit der Regierung in Athen zur Abwendung einer Staatspleite offen - allerdings erst nach dem für Sonntag angesetzten Referendum in Griechenland. Sollte die griechische Regierung um Gespräche bitten, „werden wir uns solchen Verhandlungen selbstverständlich nicht verschließen“, sagte Merkel am Montag nach einem Treffen mit den Partei- und Fraktionschefs von Union, SPD, Linke und Grünen in Berlin. „Wenn jemand mit uns sprechen möchte, sind wir jederzeit bereit zu sprechen.“ Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern hatte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras ein Referendum angesetzt. Er forderte seine Landsleute auf, die Vorschläge für ein Reform- und Sparpaket abzulehnen.

Keine falschen Botschaften

Ebenso wie SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel betonte Merkel, es sei das legitime Recht der Griechen, eine Volksabstimmung anzusetzen. Auch das Ergebnis werde man akzeptieren. „Wir müssen sehr vorsichtig sein, was für Botschaften wir senden“, sagte Merkel. Niemand dürfe den Eindruck erwecken, den Griechen etwas vorschreiben zu wollen. Für einen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs gebe es vor der Abstimmung am Sonntag keinen Grund. Auch eine kurzfristige Reise nach Athen sei nicht geplant.

Deutlicher als Merkel sagte Gabriel nach dem Treffen, die Abstimmung am Sonntag werde darüber entscheiden, ob Griechenland im Euro bleibe oder nicht. Den Griechen müsse die Tragweite bewusst sein: „Es ist im Kern die Frage, Ja oder Nein zum Verbleib in der Eurozone“, sagte der Vizekanzler.

Eurogruppenchef enttäuscht

Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone kann auch nach Ansicht von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem noch verhindert werden. „Ja das ist noch möglich“, sagte Dijsselbloem dem niederländischen Radio in Den Haag am Montag. „Ich wiederhole, dass die Tür bei uns offen bleibt, auch wenn die Möglichkeiten und die Zeit sehr begrenzt sind.“ Der niederländische Finanzminister äußerte sich erneut sehr enttäuscht, dass die griechische Regierung die Verhandlungen am Samstag abgebrochen habe.

Merkel dämpfte auch Hoffnungen Athens auf ein noch besseres Angebot der Geldgeber. Die europäischen Grundsätze dürften nicht ignoriert werden: „Wir könnten sie kurzfristig vielleicht aufgeben. Wir könnten vielleicht sagen, geben wir einfach mal nach. Aber ich sage: Mittel- und langfristig werden wir damit Schaden nehmen“, sagte Merkel am Montag beim Festakt zum 70. Geburtstag der CDU in Berlin.

Tsipras verbindet seine Polit-Zukunft mit Referendum

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras verbindet seine politische Zukunft mit dem Ausgang der Volksabstimmung über den Spar- und Reformkurs. Wenn bei dem Referendum über die Forderungen der internationalen Geldgeber am Sonntag ein "Ja" herauskomme, "bin ich nicht für alle Zeiten Ministerpräsident", sagte Tsipras am Montagabend in Athen in einem Interview des staatlichen Fernsehens.

Details über das weitere Vorgehen nach der Abstimmung nannte er allerdings nicht. Er sagte lediglich: "Ziel der Volksabstimmung ist die Fortsetzung der Verhandlungen."

Tsipras hatte am Wochenende für diesen Sonntag (5.7.) überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestoßen. Daraufhin scheiterten am Samstag die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit Athen. Europas Spitzenpolitiker appellieren an die Griechen, mit "Ja" zu stimmen. "Ein "Nein" würde ein Nein zu Europa heißen", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte, man werde sich weiteren Verhandlungen nicht verschließen, wenn Athen nach der Volksabstimmung darum bitten sollte: "Wenn jemand mit uns sprechen möchte, sind wir jederzeit bereit zu sprechen."

Im Deutschen Bundestag wird es am Mittwoch eine Debatte über die Griechenland-Krise geben. Für die Bundesregierung werden dabei Merkel und Gabriel sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprechen. Schäuble kritisierte die griechische Links-Rechts-Regierung scharf und warf ihr taktische Manöver vor. Sie habe die „sehr weitreichenden Hilfen der europäischen und internationalen Gemeinschaft leider nicht anerkannt“. In einem Brief an die Abgeordneten betonte Schäuble, dass Deutschland Griechenland „in besonderem Maße“ verbunden sei und bleiben werde. „Griechenland ist weiterhin Mitglied der Euro-Zone und der Europäischen Union.“