Er hat ein teuflisches Vergnügen daran, mit
rassistischen und antisemitischen Parolen zu provozieren und zu schockieren. Doch damit ist Jean-Marie Le Pen selbst in seiner rechtsextremen Partei vielen zu weit gegangen - allen voran seiner Tochter Marine, die inzwischen Frankreichs Front National (FN) anführt.

Nach neuen antisemitischen Entgleisungen hat die FN-Spitze jetzt die Mitgliedschaft des Parteigründers auf Eis gelegt, seinen Titel als Ehrenpräsident könnte er bald verlieren. Die Parteivorsitzende will ihren Vater endgültig politisch kaltstellen - und der schäumt vor Wut.

Einen "Treuebruch" warf der Parteigründer seiner Tochter vor, kaum hatte das FN-Exekutivbüro am Montagabend die Disziplinarstrafe gegen den 86-Jährigen verkündet. Sie solle nicht mehr den Namen Le Pen tragen, denn das sei für ihn "entehrend".

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Familienfehde im
rechtsextremen Lager, die Frankreich seit Wochen beschäftigt - und die ihren Anfang in verbalen Ausfällen des Parteigründers nahm. Als "Detail" der Geschichte bezeichnete der bullige Rechtsextreme die Gaskammern der NS-Vernichtungslager kürzlich. In den vergangenen Jahrzehnten hatte er das immer wieder gesagt, immer wieder wurde er dafür verurteilt.

Marine Le Pen aber will solche Sätze nicht länger hinnehmen. Denn sie torpedieren ihren Kurs, den Rechtsextremen mit einer Abkehr vom offenen Rassismus und Antisemitismus ihres Vaters ein besseres Image zu verschaffen und so neue Wähler zu gewinnen.

Eine Strategie, von der der Mann wenig hält, der 1972 Frankreichs zersplitterte Rechtsextreme - darunter Neo-Faschisten, frühere Mitglieder der Waffen-SS und Anhänger eines französischen Algerien - in der Front National zusammengeführt hatte. "Eine nette Front
interessiert niemanden", sagte Jean-Marie Le Pen einmal. Und lobte sich selbstgefällig für den Erfolg seines Kurses: "Vor dem 'Detail' 2,2 Millionen Wähler, nachher 4,4 Millionen."

Tatsächlich hat Le Pen Frankreichs Rechtsextreme in den vier Jahrzehnten als FN-Chef fest im politischen System des Landes verankert. Fünf Mal trat der Parteigründer bei
Präsidentschaftswahlen an, 2002 sorgte er für ein politisches Erdbeben, als er mit knapp 17 Prozent der Stimmen in die Stichwahl einzog. Dort unterlag er deutlich dem konservativen Amtsinhaber Jacques Chirac.

Le Pen, 1928 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Fischers und einer Schneiderin im bretonischen Trinité-sur-Mer geboren, war schon als Jusstudent politisch aktiv und fiel als wortgewaltiger Agitator auf. Nach einem Einsatz als Fallschirmjäger in Indochina - später war er auch im Algerien-Krieg - zog er 1956 mit nur 27 Jahren
als jüngster Abgeordneter in die Nationalversammlung ein.

Als Front-National-Chef machte Le Pen die Einwanderung und Einwanderer zu seinem Hauptangriffsziel, sie machte er in seinen Wutreden für alle Probleme Frankreichs verantwortlich. "Franzosen zuerst", wurde sein Slogan, gezielt schürte er Ängste vor Ausländern und davor, dass Muslime in Frankreich eines Tages das Sagen haben
würden.

Seine Tochter, seit Anfang 2011 FN-Chefin, denkt ganz ähnlich wie er, will aber mit rechtsextremen Parolen keine potenziellen Wähler verschrecken. Als der Parteigründer Anfang April wieder die NS-Gaskammern verharmloste, wurde es ihr zu viel: Sie brach mit ihrem Vater und zwang ihn zu einem Verzicht auf eine Kandidatur bei den Regionalwahlen im Dezember.

Nun hat der von ihr geführte FN-Exekutivrat den nächsten Schritt unternommen, den störenden Partei-Patriarchen in den unfreiwilligen politischen Ruhestand zu befördern. Einen Rauswurf aus der Partei wagte Marine Le Pen nicht - zu groß ist das Ansehen, das der 86-Jährige bei vielen FN-Anhängern immer noch genießt.

Kampflos, so viel steht fest, wird Jean-Marie Le Pen nicht
abtreten. Seine Bestrafung will er mit allen Mitteln anfechten, er polterte: "Niemand greift mich ungestraft an, auch nicht von hinten."