Bei einer Sitzung in Berlin bezeichnete der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Massaker als "Völkermord". In Wien verurteilte der Gemeinderat den Genozid via Resolutionsantrag. Anders als im Nationalrat konnten sich die Fraktionen allerdings nicht zu einem All-Parteien-Antrag durchringen. Denn die FPÖ sieht - anders als SPÖ, ÖVP und Grüne - keine historische Verantwortung Österreich-Ungarns und kündigte an, dem Papier nicht zuzustimmen.

In der Innenstadt gab es "Demo" und "Gegendemo": Armenier und Kurden veranstalteten mit großteils linken türkischen Gruppen einen "Marsch für Gerechtigkeit". Gleichzeitig unterstützten andere türkische Verbände die offizielle Haltung der Türkei. Diese wehrt sich gegen die Bezeichnung "Genozid". Der "Marsch der Gerechtigkeit" setzte sich laut Programm gegen 19.30 Uhr vom Resselpark (Karlsplatz) in Bewegung. Ziel war das Parlament am Ring. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich rund 500 Personen.

Etwas mehr Demonstranten (ca. 600) versammelten sich der Exekutive zufolge am Wiener Westbahnhof, um zum Ballhausplatz zu ziehen. Vorerst wurden keine Vorfälle gemeldet. Die Abschlusskundgebungen waren jedoch erst für den späteren Abend vorgesehen. Im Wiener Stephansdom fand am frühen Abend ein Ökumenisches Abendgebet im Gedenken an die Opfer des Völkermordes statt, an dem unter anderen Kardinal Christoph Schönborn und der armenische Archimandrit, Pater Tiran Petrosyan, teilnahmen.

Die Türkei hatte sich am Mittwoch über eine Erklärung des Österreichischen Nationalrats zum Völkermord an den Armeniern 1915 empört und von einer "dauerhaften Schädigung" der Beziehungen zwischen beiden Ländern gesprochen. Der türkische Botschafter wurde aus Wien zurückberufen. Laut Medienberichten wurden auch Wirtschaftssanktionen sondiert.

"Nichts ist vergessen, nach hundert Jahren erinnern wir uns", sagte Armeniens Präsident Serzh Sarksyan. Er dankte den internationalen Gästen für ihre Verbundenheit mit dem armenischen Volk. Zugleich forderte er die Türkei auf, die Massaker als Völkermord anzuerkennen. An der Zeremonie in der Gedenkstätte auf einem Hügel am Rande der Innenstadt von Eriwan nahmen auch Frankreichs Präsident François Hollande und Russlands Staatschef Wladimir Putin teil.

Hollande sagte, er verneige sich vor den Opfern. "Wir werden die Tragödie, die Ihr Volk erduldet hat, niemals vergessen", versicherte er. In der Türkei seien bereits "wichtige Worte" geäußert worden, doch würden noch weitere erwartet. Putin sagte seinerseits, Massenmorde seien durch nichts zu rechtfertigen. Das türkische Außenministerium wies später Putins Einstufung der Ereignisse als Genozid zurück und verurteilte die Äußerungen.

Russland, Frankreich und rund 20 weitere Länder sprechen von einem Völkermord. Nach armenischer Darstellung starben vom 24. April 1915 bis 1917 im Zuge der gezielten Vernichtung der armenischen Minderheit auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei spricht dagegen von 300.000 bis 500.000 getöteten Armeniern und ebenso vielen Toten aufseiten der Türken bei bürgerkriegsartigen Kämpfen und Hungersnöten.

Nach der offiziellen Zeremonie in Eriwan legten Hunderttausende Armenier Blumen an der Gedenkstätte nieder. "Ich hoffe, dass der hundertste Jahrestag ein Wendepunkt im Kampf der Armenier für die Anerkennung des Völkermords ist", sagte die 37-jährige Ani Sahakyan aus Eriwan. Sevan Gedelekian, der extra aus dem Libanon angereist war, sagte, die Armenier wollten, dass die Türkei ihre Schuld anerkennt und sich entschuldigt.

Auch in zahlreichen weiteren Städten der Welt gab es am Freitag Gedenkfeiern. In Istanbul versammelten sich Hunderte Menschen in dem Viertel, in dem am 24. April 1915 die ersten armenischen Intellektuellen verhaftet wurden, und vor dem Bahnhof, von dem die Armenier deportiert wurden. Als erster türkischer Regierungsvertreter nahm EU-Minister Volkan Bozkir an einem Gedenkgottesdienst im armenischen Patriarchat in Istanbul teil.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigte in einer Botschaft an das Patriarchat sein "Mitgefühl" für die Opfer. Bereits vergangenes Jahr hatte er sein "Mitgefühl" geäußert, den Begriff "Genozid" aber weiter zurückgewiesen. Am Nachmittag nahm Erdogan an einer Gedenkfeier zum hundertsten Jahrestag der Schlacht von Gallipoli teil. Die Zeremonie war um einen Tag vorgezogen worden - offenbar um von dem Gedenken für die Armenier abzulenken.

In Teheran forderten rund tausend Menschen vor der türkischen Botschaft die Anerkennung der Massaker als Völkermord. Im Libanon marschierten tausende Menschen von der armenisch-katholischen Kirche in Antelias nördlich von Beirut zum Vorort Burj Hammud in Erinnerung an die Opfer. Dabei trugen die Teilnehmer Schilder wie "100 Jahre Straflosigkeit" und "Kriminelle Türkei".

TV-Star Kim Kardashian (34) setzte sich erneut für die Anerkennung des Massakers als Genozid ein. "Es macht mich traurig, dass auch 100 Jahre danach immer noch nicht alle anerkennen, dass 1,5 Millionen Menschen umgebracht wurden", schrieb Kardashian am Freitag beim Kurznachrichtendienst Twitter. "Aber ich bin stolz, dass es eine Veränderung gibt und viele Menschen anfangen, diesen Genozid anzuerkennen. Wir werden nicht aufgeben, bald werden wir von allen anerkannt sein." Die Vorfahren der durch eine Reality-Show bekannt gewordenen US-Amerikanerin waren im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert.