In einer Ansprache anlässlich des Besuchs Mattarellas meinte der Papst, der Vatikan und Italien müssten weiterhin einen stärkeren Einsatz für Flüchtlinge auf europäischer und internationaler Ebene urgieren. Der Heilige Vater dankte Italien für seine Bemühungen zur Rettung von Migranten im Mittelmeer. Er äußerte die Hoffnung, dass das Land weiterhin seinen Beitrag für Frieden und Gerechtigkeit leisten werde.

Mattarella meinte in Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik, dass die Würde der internationalen Gemeinschaft auf dem Spiel stehe. Europa dürfe vor den Dramen im Mittelmeer nicht wegblicken und seine Menschlichkeit nicht verlieren, betonte das Staatsoberhaupt.

Zugleich warnte der bekennende Katholik vor dem Drama der Arbeitslosigkeit und der Armut, das die neuen Generationen gefährde. Es sei wichtig, ein Modell von sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu fördern, das die Person und die Familie in den Vordergrund stelle. Italien bemühe sich, Maßnahmen zur Überwindung einer "langen und schmerzhaften Krise" umzusetzen, von der man erst jetzt das Ende sehe, sagte das Staatsoberhaupt.

Auch das Thema der Christenverfolgung besprach Mattarella mit dem Papst. Angesichts der Gewalt gegen christliche Gemeinschaften in einigen Teilen der Welt und der Gefahr des internationalen Terrorismus sei der Dialog zwischen Religionen noch dringender als bisher.

Die Regierung in Rom steht wegen der massiven Flüchtlingswelle aus Libyen arg unter Druck. Innenminister Angelino Alfano rief die Lokalverwaltungen auf, 6.500 Unterkünfte für Migranten aufzutreiben, doch Regionen und Gemeinden zeigen kaum Kooperationsbereitschaft.

Alfano will jede italienische Region zwingen, einen Anteil an Flüchtlingen aufzunehmen, doch viele Lokalverwalter stellen sich taub. Nicht nur die von der ausländerfeindlichen Lega Nord geführten Regionen Lombardei und Veneto stemmen sich gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge. Auch "linke" Regionen wie die Toskana und die Emilia Romagna gehen wegen Alfanos Pläne auf die Barrikaden.

"Die Toskana sollte weitere 700 Personen aufnehmen. Wir wollen jedoch keine großen Flüchtlingseinrichtungen, die zu Ghettos werden. Wir sind für Unterkünfte für kleinere Migrantengruppen", betonte der Gouverneur der Toskana, Enrico Rossi. Angesichts der bevorstehenden Regionalwahlen Ende Mai ist die Flüchtlingsproblematik besonders heikel.

Regionen unter der Führung von Mitte-links-Koalitionen befürchten, dass die Wähler massiv für ausländerfeindliche Rechtsparteien stimmen könnten, sollten weitere Migranten aufgenommen werden.

Die Lega Nord setzt stark auf die Flüchtlingsproblematik, um Wählerstimmen zu gewinnen. "Die Regierung tut nichts gegen eine biblische Invasion, die zu einem sozialen Konflikt führen wird", betonte Lega Nord-Chef Matteo Salvini.

Circa 70.000 Ausländer sind zurzeit in den italienischen Flüchtlingseinrichtungen untergebracht, die meisten auf Sizilien, in Latium und Apulien. Immer mehr Asylanträge werden inzwischen in Italien gestellt. Laut der Menschenrechtsorganisation "Stiftung Moressa" stieg 2014 die Zahl der Asylanträge in Italien um 142 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 170.000 Migranten erreichten Italien 2014, das sind mehr als in den drei vorigen Jahren.