Rund vier Jahre nach dem Beginn des Konflikts in Syrien wird die Lage für Millionen Kriegsflüchtlinge aus dem arabischen Land immer verzweifelter. "Diese schlimmste humanitäre Krise unserer Zeit sollte eigentlich große globale Unterstützung auslösen, stattdessen geht die Hilfe weiter zurück", beklagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Antonio Guterres, am Donnerstag in Genf.

Weil keine politische Lösung des Konflikts in Sicht sei, gebe es für die rund 3,9 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten keine Aussicht auf eine Rückkehr in ihre Heimat. Weitere 4,8 Millionen Syrer seien Vertriebene im eigenen Land - mehr als 212.000 von ihnen in belagerten Kampfzonen.

Viele der Flüchtlinge lebten unter menschenunwürdigen Bedingungen, erklärte Guterres. "Nach Jahren im Exil sind die Ersparnisse aufgebraucht und eine wachsende Zahl der Flüchtlinge versucht, durch Bettelei, Sexdienste oder Kinderarbeit zu überleben." Tausende Syrer versuchten angesichts dieser Notlage, nach Europa zu fliehen. Viele von ihnen verlören dabei auf gefährlichen Land- und Seerouten ihr Leben.

5,6 Millionen Buben und Mädchen

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF machte am Donnerstag erneut auf die dramatische Lage der von dem Konflikt betroffenen Kinder und Jugendlichen aufmerksam. Etwa 5,6 Millionen Buben und Mädchen befänden sich innerhalb der syrischen Grenzen in einer "akuten Notsituation", erklärte die Hilfsorganisation am Donnerstag in Berlin.

Bis zu zwei Millionen von ihnen seien durch den Krieg gar ganz oder zeitweise von jeglicher humanitären Hilfe abgeschnitten. Die Zahl minderjähriger Flüchtlinge bezifferte UNICEF auf ebenfalls rund zwei Millionen. Zugleich wies das Kinderhilfswerk darauf hin, dass sich der Kreis der Betroffenen weit über Syrien hinaus erstreckt. In der gesamten Regionen seien heute schätzungsweise etwa 14 Millionen Kinder und Jugendliche von den direkten oder indirekten Folgen des Kriegs betroffen. Sie litten unter Gewalt, Flucht, wachsender Armut und Hoffnungslosigkeit.

"Die Menschen sind in einer absolut verzweifelten Lage und leben von einem Tag auf den nächsten", erklärte die Leiterin des UNICEF-Büros in Damaskus, Hanaa Singer. UNICEF-Angaben zufolge gehen die Folgen für die Menschen in Syrien weit über das Kampfgeschehen im engeren Sinne hinaus. Nach vier Jahren Bürgerkrieg sei die Wirtschaft des Landes völlig zerrüttet und es gebe für die meisten Familien keine Einkommensquellen mehr. Mädchen würden jung verheiratet, um ihre Familie zu entlasten, teilte die Organisation mit. Männliche Jugendliche müssten oft arbeiten oder schlössen sich bewaffneten Gruppierungen an, da es für sie keine andere Alternativen mehr gebe.

Vordringlich sei neben reinen Nothilfen daher vor allem, betroffenen Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu Bildungs- und Ausbildungsangeboten sowie psychosozialer Hilfe gegen weit verbreitete Traumata zu verschaffen, betonten die Experten des weltweit tätigen Hilfswerks. Es müsse gezielt in derartige Projekte investiert werden.

Auch die Hilforganisation CARE Österreich machte am Donnerstag auf die Not der syrischen Bevölkerung aufmerksam. Stromversorgung gebe es kaum noch: Rund 83 Prozent des Landes liege in Dunkelheit, seit der Konflikt vor vier Jahren ausgebrochen sei, hieß es in einer Aussendung. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten wie Aleppo seien 97 Prozent der Beleuchtung erloschen, wie die Hilfsorganisation unter Verweis auf Wissenschafter mitteilte. "Die Menschen in Syrien sitzen zusätzlich zu all dem Leid, das sie ertragen müssen, buchstäblich im Finstern", erklärte Andrea Wagner-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich.

Unermessliche Verzweiflung

Häuser, Schulen, Straßen und Krankenhäuser seien dem Erdboden gleichgemacht worden. "Wir treten in das fünfte Jahr dieser Krise ein. Das Ausmaß der Verzweiflung und Zerstörung in Syrien ist unermesslich und es ist kein Ende in Sicht", so Wagner-Hager. CARE versorge syrische Flüchtlinge in Jordanien, im Libanon, der Türkei, im Jemen und in Ägypten mit Hilfsmitteln wie Winterkleidung, Matratzen, Decken, Heizgeräte und Gutscheine für den Kauf von Lebensmitteln. Auch Bargeld verteile die Hilfsorganisation, die zudem auch den Zugang zu Trinkwasser sowie Sanitäreinrichtungen sicherstelle und für die Menschen zur Verarbeitung ihrer Traumata psychosoziale Betreuung anbiete.