Was die Gemütslage vor Wahlen in Frankreich angeht, gibt es inzwischen fast schon Gesetzmäßigkeiten. Bei den Sozialisten von Staatschef François Hollande wächst die Panik, bei der rechtsextremen Front Nation (FN) dagegen die Vorfreude. So ist es auch vor den Departementswahlen am 22. März.

Denn während der Regierungspartei ein neues Debakel droht, könnte die FN von Marine Le Pen die meisten Stimmen einfahren. Die Rechtsextremen wollen zeigen, dass sie inzwischen landesweit fest verankert sind - und Kurs nehmen auf die Präsidentschaftswahl 2017.

33 Prozent könnte die ausländer- und islamfeindliche Partei in der ersten Runde der Departementswahlen laut einer Umfrage gewinnen, die Rechtsextremen lägen damit klar vor dem konservativ-bürgerlichen Lager mit 27 Prozent und Hollandes Sozialisten mit 19 Prozent. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Front National stärkste Kraft in Frankreich wird: Bei den Europawahlen im vergangenen Mai war ihr das erstmals in ihrer Geschichte gelungen.

Kaum realistische Chance

Die guten Umfragewerte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FN in kaum einem der 101 französischen Departements eine realistische Chance auf eine Mehrheit hat. Wegen des Mehrheitswahlrechts könnte die FN künftig in einem, vielleicht zwei Departementräten - vergleichbar mit den Kreistagen in Deutschland - die meisten Vertreter stellen. Und auch das wäre ein "glücklicher Zufall", wie Le Pen selber sagt - sicherlich auch, um die Erwartungen nicht allzu hoch zu schrauben.

Ein wichtiger Erfolg ist den Rechtsextremen indes schon vor den Wahlen gelungen: Sie stellen Kandidaten in fast allen der 2054 Kantone auf, den Wahlkreisen der Departements. Dabei hatte die Front National in der Vergangenheit riesige Probleme, ausreichend Kandidaten zu finden, der Partei fehlte die Verankerung in der Fläche. Jetzt gibt es landesweit mehr als 7500 rechtsextreme Kandidaten. "Mehr als je zuvor sind wir Frankreichs stärkste Partei", frohlockte Le Pen vor wenigen Tagen.

Dabei griff die FN immer wieder auf höchst zweifelhafte Kandidaten zurück, einige von ihnen fielen in sozialen Netzwerken mit offen rassistischen und antisemitischen Sprüchen auf. Für die FN-Chefin, die ihrer Partei eigentlich ein respektableres Image verschaffen will als zu Zeiten ihres polternden Vaters Jean-Marie Le Pen, ist das gefährlich, bietet es doch neue Angriffsflächen.

Wähler "entreißen"

Die regierenden Sozialisten haben bereits zum Angriff geblasen. Er wolle den Rechtsextremen Wähler "entreißen", sagte Staatschef Hollande diese Woche. Sein Premier Manuel Valls bezeichnete die FN als "wirkliche Gefahr" und sprach ihr sogar jeden Patriotismus ab: "Ich glaube, die Front National mag Frankreich nicht." Die Rechtsextremen würden "zerstören, was wir sind".

Auch der Vorsitzende der konservativen UMP, Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy, hat den zu einer gefährlichen Konkurrenz gewachsenen Rechtsextremen den Kampf angesagt. Doch der Umgang mit der FN dürfte der Partei noch einige Kopfschmerzen bereiten. Denn vor der zweiten Wahlrunde am 29. März wird sich die Frage nach Absprachen zwischen Konservativen und Rechtsextremen stellen, wenn es in einer Stichwahl gegen einen linken Kandidaten geht.

Parteiausschluss angedroht

Sarkozy hat jedem UMP-Kandidaten, der ein Bündnis mit der FN eingeht, mit einem sofortigen Parteiausschluss gedroht. Doch mehr als 40 Prozent der UMP-Anhänger wünschen sich laut einer Umfrage solche Vereinbarungen.

Bei der Front National geht der Blick indes schon weit über die Departementswahlen hinaus. Denn ein Erfolg bei dem Urnengang könnte den Rechtsextremen neuen Schwung bis ins Jahr 2017 geben. Dann wird in Frankreich ein neuer Präsident gewählt, und Umfragen zufolge dürfte es Marine Le Pen auf jeden Fall in die Stichwahl schaffen.