Nach dem Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow haben die Moskauer Behörden einen Sonderermittler eingesetzt. General Igor Krasnow, ein Experte für die Aufklärung von Verbrechen mit nationalistischem Hintergrund, soll eine zwölfköpfige Sonderkommission in dem Fall leiten. Kritiker fürchten, dass die Tat nie aufgeklärt wird - wie frühere Attentate auf andere Kremlgegner.

Nationalisten als Täter vermutet

Die Personalie Krasnow dürfte Hinweise auf die Stoßrichtung der Ermittlungen geben, meinten Kommentatoren. Demnach könnte der Fall Nemzow möglicherweise als Tat von Nationalisten gesehen werden, die aus Hass auf die prowestliche Opposition gehandelt haben könnten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Andere Theorien der Ermittler schließen einen Zusammenhang mit der Ukraine-Krise oder eine Tat islamistischer Extremisten nicht aus.

Die Stadt Moskau wies Medienberichte zurück, nach denen zahlreiche Kameras der Videoüberwachung zur Tatzeit abgeschaltet gewesen seien. Alle funktionierten, hieß es. Die Aufnahmen würden ausgewertet. Zuständig dafür seien die Ermittlungsbehörden. Für die Ergreifung des Täters setzten die Behörden eine Belohnung von drei Millionen Rubel (rund 45.000 Euro) aus. Der monatliche Durchschnittslohn in Russland liegt bei 60.000 Rubel.

Der 55-jährige Nemzow, ein bedeutender Gegner von Präsident Wladimir Putin, war am späten Freitagabend mit vier Schüssen in den Rücken auf einer Brücke in Kremlnähe getötet worden. Nemzow starb am Tatort. Der Täter entkam unerkannt. Putin teilte mit, es werde alles für die Aufklärung des "zynischen Mordes" getan.

Lawrow: "Verachtenswert"

Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Bluttat als "verachtenswert". "Es geht um ein abscheuliches Verbrechen, das vollständig im Rahmen der Gesetze untersucht wird, um sicherzustellen, dass die Täter vor Gericht kommen", sagte der Minister bei einem Besuch in Genf.

Nemzows 23-jährige Begleiterin Anna Durizkaja, die bei dem Attentat nicht verletzt wurde, gab an, den Täter nicht gesehen zu haben, weil er von hinten geschossen habe. Eine Tat aus Eifersucht schloss die Ukrainerin aus. Durizkaja gab Berichten zufolge an, Nemzow seit drei Jahren gekannt zu haben.

Durizkaja wird nach eigenen Angaben gegen ihren Willen in Moskau festgehalten. "Die Ermittler befragen mich und keiner sagt mir, wann ich freigelassen werde und warum sie mich hier festhalten", sagte sie am Montag dem russischen Oppositionssender Doschd. "Ich habe das Recht, Russland zu verlassen, ich bin keine Verdächtige", fügte die 23-Jährige hinzu. Sie habe der Polizei bereits alles gesagt, was sie wisse. Sie befinde sich zur Zeit in der Wohnung eines Freundes in Moskau, die sie nicht verlassen dürfe.

Durizkas Mutter appellierte an den ukrainischen Präsidenten und das Außenministerium, sich für die Rückkehr ihrer Tochter einzusetzen. "Sie ist unschuldig", sagte Inna Durizka dem ukraininschen Sender 1+1. Sie habe Angst, dass die russischen Behörden ihre Tochter zu einer Schuldigen machen wollten. Nemzow, der unter Präsident Boris Jelzin in den 90er Jahren Vize-Ministerpräsident war, war ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Er soll an einem Bericht über die Beteiligung Russlands am Ukraine-Konflikt gearbeitet haben.

Nemzow wird beigesetzt

Nach dem Mord forderte der liberale Politiker Wladimir Ryschkow im Gespräch mit der Friedrich-Naumann-Stiftung einen effektiven Schutz aller Bürger. "Das Problem sind (...) nicht zu schwache Sicherheitsorgane, sondern dass diese die konstitutionellen Rechte und die Sicherheit der Bürger nicht schützen", meinte Ryschkow.

An diesem Dienstag soll Nemzow auf dem Moskauer Prominentenfriedhof Trojekurowo beigesetzt werden. Zuvor haben Freunde und Anhänger von Nemzow im Sacharow-Zentrum die Gelegenheit, sich von dem Oppositionspolitiker zu verabschieden. Zu einem Trauermarsch im Zentrum von Moskau waren am Sonntag Zehntausende Menschen gekommen und hatten Blumen am Anschlagsort niedergelegt.