Trotz einer ersten leichten Entspannung im Ukraine-Krieg steht eine Annäherung der verfeindeten Seiten noch in den Sternen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht eine völlige Aussöhnung in der Ostukraine gar als Frage von Jahrzehnten. "Eine politische Lösung wird wahrscheinlich eine Generation dauern", sagte Steinmeier am Donnerstag in Berlin.

Neuerliche Dringlichkeitssitzung

Am heutigen Freitag will sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Konflikt in der Ukraine befassen. Wie Diplomaten in der Nacht mitteilten, wurde das Treffen auf Bitten Deutschlands und Frankreichs anberaumt. Das Gremium will sich demnach mit der Umsetzung des Minsker Friedensabkommen beschäftigen. Aus den USA kamen Warnungen, dass die prorussischen Separatisten in der Ostukraine eine neue Offensive planten. Georgien warnte wiederum die EU und die NATO vor Moskaus aggressiver Strategie zur Machterweiterung.

Die Entscheidung der Ukraine, nach tagelangem Zögern schwere Waffen von der Front im Donbass abzuziehen, sei kein Durchbruch, aber eine "gute Nachricht", so Steinmeier. "Vielleicht darf man jetzt wieder etwas zuversichtlicher sein, als wir das in den letzten Wochen waren", meinte der Minister. "Wenn ich um auf den Erdball schaue und mir Syrien, Libyen und den Irak anschaue, dann halte ich den Ukrainekonflikt für den einzig lösbaren."

Trotz der gegenwärtigen Entspannung will sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung heute, Freitag, mit dem Konflikt in der Ukraine befassen. Zunächst wollen zwei Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) das UN-Gremium über die Lage vor Ort informieren, danach sind Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geplant. Das geplante Treffen der 15 Sicherheitsratsmitglieder ist das erste zum Ukraine-Konflikt seit dem 17. Februar.

Geheimdienstdirektor rechnet mit Angriff

Die US-Geheimdienste sehen trotz einer gegenwärtigen Beruhigung des Konfliktes neue Gefahren: Der Nationale Geheimdienstdirektor der USA, James Clapper, rechnet nach eigener Aussage im Frühjahr mit einem Angriff der prorussischen Separatisten auf Mariupol. Ein Vordringen in die Hafenstadt stehe zwar nicht kurz bevor, sei dann aber zu erwarten, sagte Clapper am Donnerstag bei einer Anhörung im US-Senat in Washington. Die Separatisten würden sich derzeit neu formieren.

Der Koordinator der amerikanischen Geheimdienste machte Russlands Präsident Wladimir Putin für den Krieg verantwortlich. Der Russe habe schon länger auf die Gelegenheit gewartet, die Krim und Teile der Ostukraine unter seine Kontrolle zu bringen.

Georgien wirft Russland eine "schleichende Annexion" der abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien vor. Die Außenministerin des Landes, Tamar Beruchaschwili, warnte am Donnerstag vor dieser Entwicklung, sie sei besorgniserregend - nicht nur für Georgien. "Wir glauben, es ist auch sehr gefährlich für die Sicherheit in Europa, besonders wenn man den Krieg in der Ukraine bedenkt." In Gesprächen mit der EU und dem Verteidigungsbündnis NATO in Brüssel habe sie diese Woche deutlich gemacht, dass Abkommen Russlands mit den beiden Provinzen ein Grund zur Sorge seien. Moskau wolle mit einer aggressiven Strategie seinen Einfluss in der Region ausweiten.

Fast zwei Wochen nach Inkrafttreten der Waffenruhe im Kriegsgebiet Donbass hat das ukrainische Militär am Donnerstag mit dem Abzug schwerer Waffen begonnen. Der Rückzug der Militärtechnik ist ein zentraler Punkt des Friedensplans für die Ostukraine, der am 12. Februar in der weißrussischen Hauptstadt Minsk in einem diplomatischen Kraftakt beschlossen worden war.

Pufferzone im Konfliktgebiet

Die ukrainische Führung hatte den Abzug der Geschütze tagelang abgelehnt, weil die am 15. Februar ausgerufene Waffenruhe brüchig sei. Eigentlich sollte dieser entscheidende Schritt für eine Deeskalation zwei Tage nach Beginn der Feuerpause einsetzen. Damit soll eine Pufferzone im Konfliktgebiet entstehen.

Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow hatte die zögerliche Haltung der prowestlichen Führung in Kiew zum Waffenabzug aus dem Donbass als "lächerlich" abgetan. "Jeder versteht, dass es dort keine ideale Waffenruhe und kein ideales System zum Einstellen der Kämpfe gibt", sagte er in Moskau.

Der Westen und Russland hatten die Konfliktparteien mehrfach mit Nachdruck zum Abzug des Kriegsgeräts aufgefordert. Die Aufständischen hatten nach eigener Darstellung bereits einen großen Teil ihrer Geschütze von der Front verlegt. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigten dies zunächst nicht.