Das UNO-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien sprach am Freitag in Den Haag insgesamt fünf ehemalige hohe serbischen Offiziere auch in letzter Instanz schuldig für fast unvorstellbar grausame Verbrechen im Krieg vor knapp 20 Jahren.

Symbol dafür ist der Völkermord von Srebrenica, das schlimmste Kriegsverbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Juli 1995 hatten serbische Einheiten unter dem Oberkommando von General Ratko Mladic die damalige UNO-Schutzzone überrannt und dann gezielt und geplant rund 8.000 muslimische Männer und Burschen ermordet.

Nun endete nach fast neun Jahren der bisher größte Srebrenica-Prozess des UNO-Tribunals. Es war ein quälendes Verfahren vor allem für die Angehörigen der Opfer. Über 300 Zeugen hatten den Schrecken im Gerichtssaal erneut lebendig werden lassen. Über 3.000 Beweisstücke belegten tausendfachen Mord, Vertreibung und Verfolgung.

Mit dem Urteil aber ist das Kapitel noch längst nicht geschlossen. Die beiden mutmaßlichen Haupttäter warten noch auf ihr Urteil: Ex-General Ratko Mladic und der damalige Polit-Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic. Der ehemalige Psychiater verteidigt sich seit 2009 selbst und genießt offensichtlich seine letzte große Rolle auf einer öffentlichen Bühne. Im Oktober soll er sein Urteil hören. Sein Kriegskumpan Mladic war erst 2011 gefasst worden. Sein Prozess soll erst 2017 abgeschlossen werden.

"Ohne Gerechtigkeit keine Versöhnung" ist ein Grundsatz der internationalen Strafjustiz. Doch im Fall von Srebrenica waren das bisher nur schöne Worte. Auch diese jüngsten Urteile werden kaum zur Aufarbeitung beitragen.

Für die Serben ist das Massaker auch heute noch eine der ganz großen offenen Kriegswunden. Erst 15 Jahren später hatte sich das Parlament in Belgrad dafür entschuldigt. Jedoch hatte nur die Hälfte der Abgeordneten überhaupt der halbherzigen Resolution zugestimmt, die peinlich bemüht war, das Wort Völkermord zu vermeiden.

Der serbische Staatspräsident Tomislav Nikolic, dessen politische Heimat über Jahrzehnte der extreme großserbische Nationalismus war, entschuldigte sich zwar für dieses "schreckliche Verbrechen", allerdings müsse der Vorwurf des Genozids "erst bewiesen werden". Aus Protest gegen diese Aussagen hatten die Staatschefs der Nachbarländer die Amtseinführung von Nikolic im Sommer 2012 boykottiert.

Der heutige Präsident der bosnischen Serben, Milorad Dodik, bestreitet den Genozid rundheraus: "Wir können und werden niemals hinnehmen, das dies als Völkermord eingestuft wird."

Ohnmächtig mussten die Bosniaken noch im vorigen September zusehen, wie die Serben praktisch in Sichtweite der Srebrenica-Gedenkstätte Potocari mit tausenden Gräbern auf einem Berg eine neue Kirche einweihten. Für die Muslime war dies eine Erniedrigung.

Auch die internationale Justiz tut sich schwer. Dabei hatte sich 1948 die Staatengemeinschaft in der UNO-Konvention zum Genozid verpflichtet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Völkermord zu verhindern und Täter zu bestrafen. Keiner sollte immun sein: kein General, kein Staatschef, ja sogar Staaten nicht. Doch erst nach Srebrenica wurde das Tribunal in Den Haag errichtet und dann auch das erste permanente Weltstrafgericht.

Doch noch nie wurde ein Staatschef für Völkermord verurteilt. Der ehemalige jugoslawische Staatspräsident Slobodan Milosevic starb noch während seines Prozesses vor dem UNO-Tribunal 2006 an einem Herzinfarkt in seiner Zelle. Ein Jahr später wurde er allerdings faktisch posthum freigesprochen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag stellte zwar fest, dass Serbien, als Rechtsnachfolger von Jugoslawien, das Massaker von Srebrenica nicht verhindert hatte. Dennoch urteilte das höchste UNO-Gericht: Serbien "hat keinen Völkermord verübt".