Einem entsprechenden Antrag des britischen Konservativen Robert Walter schlossen sich mehr als 30 Abgeordnete aus mehr als fünf Ländern an. Damit waren die Voraussetzungen erfüllt. Nun sollen die zuständigen Ausschüsse Vorschläge für das weitere Vorgehen erarbeiten. Das Plenum wird über die Frage voraussichtlich am Mittwochabend abstimmen.

Der Präsident des russischen Unterhauses, Sergej Naryschkin, hatte am Vortag in Straßburg mit einem Auszug der russischen Delegation aus der Versammlung für "mindestens ein Jahr" für den Fall gedroht, dass die Sanktionen beibehalten werden. Zugleich wertete er diese als Verstoß gegen das internationale Recht und als Diskriminierung. Der Duma-Präsident schloss auch nicht aus, dass Russland seine Mitgliedschaft im Europarat insgesamt aufkündigen könnte.

Die Duma hatte Naryschkin erst kürzlich in die russische Delegation der Parlamentarier-Versammlung ernannt, damit er sich in Straßburg persönlich für eine Aufhebung der Sanktionen einsetzen kann. Eine Unterredung mit der Präsidentin der Versammlung, der Luxemburger Liberalen Anne Brasseur, und den Vorsitzenden der fünf Fraktionen brachte am Sonntag aber keine Annäherung.

Bei dem Gespräch ging es auch um den Fall der in Russland inhaftierten ukrainischen Luftwaffen-Pilotin Nadija Sawtschenko. Brasseur bekräftigte ihre Forderung, die 33-Jährige freizulassen. Naryschkin sagte dazu lediglich, die Pilotin werde eines "schweren Verbrechens" bezichtigt.

Sawtschenko war Anfang Juli auf russischem Territorium festgenommen worden. Nach Darstellung der Ukraine wurde sie zuvor von prorussischen Rebellen entführt und an Russland ausgeliefert. Russland wirft ihr vor, der ukrainischen Armee die Position zweier russischer Journalisten übermittelt zu haben, die im Juni durch einen Mörsereinschlag getötet wurden. Die Anklage lautet auf "vorsätzlichen Mord". Die Pilotin wurde im Oktober ins Kiewer Parlament gewählt und ist Mitglied der ukrainischen Delegation in der Parlamentarier-Versammlung.

Im vergangenen April hatte die Parlamentarier-Versammlung als Reaktion auf die Annexion der Krim den 18 russischen Mitgliedern das Stimmrecht entzogen und sie außerdem aus Führungsgremien und von Wahlbeobachtermissionen ausgeschlossen. In einer Entschließung drohte die Versammlung damals, die russische Delegation ganz auszuschließen, wenn Russland im Konflikt mit der Ukraine "keine Deeskalation einleitet und die Annexion der Krim nicht rückgängig macht".

In der über 60-jährigen Geschichte des Europarats hat die Parlamentarier-Versammlung nur vier Mal einer nationalen Delegation das Stimmrecht entzogen. Gegen Russland war diese Sanktion bereits im Jahr 2000 verhängt worden - damals wegen des Tschetschenien-Kriegs.

Der Versammlung gehören derzeit 318 nationale Abgeordnete aus den 47 Mitgliedsländern des Europarats an, unter ihnen 18 Russen und zwölf Ukrainer. Sie treffen sich vier Mal jährlich zu Plenarsitzungen in Straßburg. Die Ukraine ist seit 1995 Mitglied im Europarat, Russland seit 1996. Die 1949 gegründete paneuropäische Länderorganisation setzt sich vor allem für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ein.