Ungeachtet der gegenseitigen Vorwürfe aus Brüssel und Ankara strebt die Türkei nach Angaben eines ranghohen Regierungsberaters weiter entschlossen in die Europäische Union. "Die (Regierungspartei) AKP will zu hundert Prozent der EU beitreten und ihre eigene Stärke in Europa zeigen", sagte Etyen Mahcupyan, Spitzenberater von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu, am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.

Streben nach der ersten Liga

Allerdings träume der "begeisterte und selbstbewusste" Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht davon, in der zweiten Liga zu spielen. "Er will in der ersten Liga spielen, mit gleichberechtigten Partnern." In den vergangenen Wochen hatte eine Welle von Festnahmen von Anhängern des Erdogan-Rivalen Fethullah Gülen für scharfe Kritik der EU gesorgt.

In den Festnahmen von Journalisten von Gülen-Medien sieht Brüssel eine ernste Bedrohung der Pressefreiheit. Mahcupyan verteidigte das Vorgehen. "Es ist sehr klar, dass die Gülen-Bewegung die Regierung stürzen und eine Zeit ohne Erdogan schaffen wollte", sagte er. Eine "Kerngruppe" von bis zu zehntausend Anhängern hätte dazu eine eigene Hierarchie in den staatlichen Institutionen errichtet, Gülen habe bis zu drei Millionen Sympathisanten. Mahcupyan warf dem Westen eine "negative" Perspektive vor. "Die westliche Welt hat keine Ahnung, was in der Türkei vor sich geht, sie verstehen es nicht, und sie bemühen sich auch nicht sehr."

Die von Erdogan mitgegründete islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sei "ein Pendel, das zwischen Autoritarismus und Demokratie hin und her schwingt". "Ich kann sagen, die Partei ist näher an der Demokratie, die Partei ist aber sehr unsicher, sie meint, der Teppich unter ihren Füßen könne jederzeit weggezogen werden", sagte Mahcupyan.