Formale Beschlüsse sind in dieser Frage allerdings noch nicht zu erwarten, hieß es dazu aus dem Umfeld des neuen Ratspräsidenten Donald Tusk. Der Gipfel werde lediglich auf neue Sanktionen gegen die von Russland annektierte Krim verweisen. Bis Donnerstag will die EU dazu einen Investitions- und Handelsstopp gegen die Halbinsel verhängen. "Die Probleme müssen angegangen werden - in konsensualem Wege", so ein Diplomat im Bezug auf die Stimmungslage innerhalb der EU-Mitgliedsländer.

Allerdings macht sich in der EU auch Sorge über einen wirtschaftlichen Kollaps Russlands breit. "Wir sollten uns bewusst sein, dass es nicht das Ziel der Sanktionen war, die russische Wirtschaft zu treffen, sondern (Präsident Wladimir) Putins Verhalten zu ändern", sagte ein ranghoher EU-Diplomat in Brüssel am Mittwoch. Was derzeit in Russland mit dem Verfall des Rubels passiere, sollte "ein Weckruf" für Moskau sein. "Wir hoffen doch sehr, dass die Russen rational denken." Putin müsse seine Ukraine-Politik ändern, "die nirgendwo hin führt".

Der EU-Gipfel wird nach Angaben aus Ratskreisen keine neuen Sanktionen gegen Russland beschließen, obwohl die Minsker Waffenstillstandsvereinbarung zur Ost-Ukraine weiterhin nicht eingehalten werde. Bis Freitag sollen aber ein Investitions- und Handelsverbot gegen die von Russland im März annektierte ukrainische Krim-Halbinsel verhängt werden. Die Sanktionen, die vor allem auf den Tourismus zielten, werden laut Diplomaten am Freitag im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ab Samstag in Kraft treten.

Im Fokus des EU-Gipfels sollen von den Sanktionen abgesehen aber vor allem jene mindestens 315 Mrd. Euro stehen, die EU-Kommissionspräsident Juncker mit seinem Investitionsprogramm mobilisieren will: "Das Hauptthema dieses Gipfels werden die Investitionen sein." So soll das Investitionsprogramm grundsätzlich abgesegnet werden und die EU-Staaten sich an dem neuen Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) beteiligen. Von österreichischer Seite waren im Vorfeld Bedenken aufgekommen, dass ein Teil der eingereichten Projekte aus dem Atombereich stammt und somit die Nuklearindustrie gefördert werden könnte. Am Gipfel solle aber nicht über die konkreten Projekte diskutiert werden. "Nach jetzigem Stand sehen wir keine Schlussfolgerungen zu diesem Thema", hieß es aus dem Präsidentschaftsumfeld.

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker entsprechende Berichte zurückgewiesen. Er wolle "dem Eindruck entgegentreten, als hätten wir sonst nichts im Kopf als zusätzliche Atomzentralen zu finanzieren", so Juncker im EU-Parlament. Abgesehen davon sei der Energiemix nationale Angelegenheit der einzelnen Staaten.

Generell gehe es darum, "Projekte mit Langzeitwachstums-steigerndem Potenzial zu unterstützen und finanziell zu begleiten". Es sollten nicht "neue Kathedralen gebaut werden. Wir haben jetzt müde Kirchen mit Gläubigen zu füllen". Auch nicht Tunnels oder Projekte nur um der Projekte willen.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat am Mittwoch im EU-Hauptausschuss des Nationalrats noch einmal Stellung gegen die Förderung von Atomkraft durch das EU-Investitionspaket bezogen. Auch wenn noch nicht klar sei, welche Projekte eingereicht würden, halte er es für angebracht, bereits jetzt eine klare Wortmeldung abzugeben, erklärte Faymann laut seinem Sprecher vor dem EU-Hauptausschuss. "Die österreichische Position lautet: Wir unterstützen alles, was in Richtung `Mehr Investitionen´ geht, wir wollen aber auch deutlich machen, dass es sinnvolle Projekte gibt und solche, die aus unserer Sicht nicht zu unterstützen sind. Die Atomenergie ist für uns ein Beispiel, das wir nicht zu den nachhaltigen und ökologisch sinnvollen Projekten zählen", so der Bundeskanzler.

Gerade in Zeiten der Energiewende dürfe die EU dem Druck der Atom-Lobby nicht nachgeben, die sich ganz offenbar eine Basis für die Finanzierung von Kernkraftwerken schaffen will, erklärte ÖVP-Klubchef Lopatka und forderte Faymann auf, in den Verhandlungen beim EU-Gipfel "hart" zu bleiben. Es sei "schlicht undenkbar" anteilsmäßig auch österreichisches Steuergeld dafür zu verwenden.

Die EU-Kommission wird im Jänner einen Gesetzesvorschlag machen, der bis Juni angenommen sein soll. Dann könnten die ersten Investitionen aus dem Programm bereits Mitte 2015 fließen. Der konkrete Zeitplan könne aber noch verhandelt werden, hieß es am Mittwoch.

Klar sei aber auch: "Es kann nicht nur ums Geld gehen." Auch die verbesserte Regulierung und eine Akkordierung mit den nationalen Haushalten sei vonnöten. Konkret wollen die Staats- und Regierungschefs die Kommission beauftragen, bis zum März einen Vorschlag für die Energieunion und bis Juni eine Initiative für den digitalen Binnenmarkt vorzulegen. Und auch in die im Zuge des Lux-Leaks-Skandals aufgekommene Steuerdebatte soll Bewegung kommen, wenn der Rat der Finanzminister beauftragt wird, die Arbeiten im Kampf gegen Steuerflucht auf Grundlage von Vorschlägen der EU-Kommission voranzutreiben. Im Juni will der EU-Gipfel auf diese Frage erneut zurückkommen.

Und eine gute Nachricht hatte die neue Ratspräsidentschaft für die Teilnehmer des Gipfels bezüglich des Zeitplans parat - auf politischer wie auf journalistischer Seite: "Es ist eine unserer Prioritäten, dass die Leute rechtzeitig ins Bett kommen und ihren Schlaf bekommen."