Selten hat die Wahl eines Staatsoberhaupts, das vornehmlich repräsentative Aufgaben wahrnimmt, die Finanzmärkte derart in Aufruhr versetzt. Denn wenn das griechische Parlament heute Abend einen neuen Präsidenten wählen soll, stehen die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras und damit der Sparkurs des einst von der Staatspleite bedrohten Euro-Landes auf dem Spiel.

Sollte nämlich der von Samaras nominierte ehemalige EU-Kommissar Stavros Dimas auch im dritten Wahlgang scheitern, müssten laut Verfassung Parlamentswahlen abgehalten werden. In den Umfragen führt die linksradikale SYRIZA-Partei unter Oppositionschef Alexis Tsipras, der die Rettungspolitik von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds ablehnt.

Wie läuft die Wahl ab?

Die Amtszeit des Präsidenten beträgt in Griechenland fünf Jahre. Die Wahl des Nachfolgers für das amtierende Staatsoberhaupt Karolos Papoulias kann sich über maximal drei Runden erstrecken. Die Termine dafür sind der 17., 23. und 29. Dezember. Am Mittwochabend ist eine erste namentliche Abstimmung für 18:00 Uhr (MEZ) im Parlament angesetzt, Ergebnisse werden eine Stunde später erwartet.

Eine Debatte im Parlament ist nicht vorgesehen und die Abgeordneten müssen einzeln abstimmen. Samaras, dessen Koalition aus seiner Neuen-Demokratie-Partei und der sozialdemokratischen PASOK aktuell auf 155 Parlamentarier zählen kann, bräuchte in dem 300-köpfigen Plenum 200 Stimmen, um seinen Kandidaten in der ersten oder zweiten Runde durchzubringen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Dimas diese Hürde überwindet. Im letzten Wahlgang bräuchte der 73-jährige, der keinen Gegenkandidaten hat, 180 Stimmen oder drei Fünftel der Gesamtzahl der Abgeordneten.

Falls der Kandidat dann erneut scheitert, schreibt die Verfassung eine Auflösung des Parlaments binnen zehn Tagen vor. Die folgenden Neuwahlen werden gewöhnlich vier Wochen später angesetzt. Samaras stellte eine mögliche Abstimmung für Jänner in Aussicht. Das neue Parlament muss binnen 20 Tagen nach seiner konstituierenden Sitzung erneut über den Präsidenten abstimmen. In der ersten und zweiten Runde wären 180 Stimmen für einen Kandidaten notwendig. In der dritten Runde würde eine einfache Mehrheit genügen.

Wer steht wo?

Bei der am Mittwoch beginnenden Wahl dürften die derzeit 24 unabhängigen Abgeordneten den Ausschlag geben. Von ihnen haben 17 die Fraktion der "unabhängigen demokratischen Abgeordneten" gebildet. Die linksradikale SYRIZA, die 71 Abgeordnete stellt, sowie die Regierungskoalition umwerben zudem Parlamentarier der Demokratischen Linken und der rechtsgerichteten Partei der Unabhängigen Griechen. Beide Parteien hatten zuletzt betont, gegen Dimas zu stimmen, wollten darüber aber weiter diskutieren. Von der Demokratischen Linken, die laut Umfragen bei Neuwahlen auf nur rund ein Prozent der Stimmen zählen könnten, sitzen zehn Abgeordnete im Parlament, von den Unabhängigen Griechen zwölf. Bei Neuwahlen wäre offen, wer von ihnen weiter im Plenum Platz nehmen könnte. Die turnusgemäßen Wahlen wären 2016.