Noch während des Fluges nach Ankara hatte Franziskus lobende Worte für die Flüchtlingspolitik der Türkei gefunden. "Die Türkei leistet große Hilfe für viele Flüchtlinge", sagte der Papst mit Blick auf die rund 1,6 Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge im Land, unter denen auch einige tausend Christen und Jesiden sind.

Entgegen vieler Erwartungen fehlt auf dem offiziellen Reiseprogramm des Papstes eine Begegnung mit syrischen Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in der Türkei Zuflucht gesucht haben. Dies sei nicht geplant - aber natürlich könnten bei einigen Gelegenheiten in Istanbul auch Flüchtlinge anwesend sein, betonte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.

Mit einem dicken weißen Mantel gegen den anatolischen Winterwind gewappnet stieg Franziskus dann am Hauptstadtflughafen aus seiner Maschine und wurde vom türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu in Empfang genommen. Hoffnungen von Erdogan-Gegnern in der Türkei, dass der für seine Bescheidenheit bekannte Papst einen Besuch im umstrittenen neuen Präsidentenpalast ablehnen könnte, erfüllten sich jedoch nicht. Stattdessen wurde der rund eine halbe Milliarde Euro teure "Weiße Palast" erstmals zum Schauplatz einer offiziellen Willkommenszeremonie für einen Staatsgast.

Bei einer Rede im Weißen Palast mahnte Franziskus dann vor Präsident Recep Tayyip Erdogan und den Spitzen der türkischen Regierung die Achtung der Religions- und Meinungsfreiheit ein. Muslime und Christen müssten gleiche Rechte und Pflichten haben, er sei gekommen, um den respektvollen Dialog seiner Vorgänger fortzusetzen, zitierte Kathpress den Papst.

Eine wichtige Rolle spielt die Türkei aus Sicht des Papstes für die Lösung der Konflikte im Nahen Osten. Dieser Vormarsch des IS und die neu aufgeflammte Debatte über Islam und Gewalt stellen den Papst in der Türkei vor schwierige Aufgaben. "Ihre Entscheidungen und ihr Beispiel besitzen ein besonderes Gewicht", sagte er. Besonders in Syrien und im Irak seien ganze ethnische Gruppen, Christen und Jesiden terroristischer Gewalt und Verfolgung ausgesetzt.

Erdogan ließ Franziskus im Voraus bereits wissen, dass er vom Papst einen Beitrag im Kampf gegen die von der Türkei konstatierte "Islamophobie" im Westen erwarte. Der türkische Präsident und andere islamisch-konservative Politiker argumentieren, dass die Untaten des IS nicht mit dem Islam in Zusammenhang gebracht werden dürften, weil sie den friedlichen Prinzipien der Religion widersprächen.

Franziskus forderte im Zusammenhang mit der Terrormiliz IS die Verurteilung religiös gerechtfertigter Gewalt. Diese verdiene "die stärkste Verurteilung, denn der Allmächtige ist Gott des Lebens und des Friedens", sagte er nach dem Treffen mit Mehmet Görmez, dem Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet. "Von allen, die behaupten, ihn anzubeten, erwartet die Welt, dass sie Männer und Frauen des Friedens sind", fügte Franziskus hinzu.

Knapp 10.000 Polizisten wurden zur Sicherung des Staatsbesuchs in Ankara und Istanbul abgestellt. Statt im Papamobil wurde Franziskus am Freitag mit einer gepanzerten Limousine zum Präsidentenpalast chauffiert. Direkten Kontakt mit der türkischen Bevölkerung hatte er auf dem Weg dorthin nicht - die Straßen Ankaras blieben entlang der gesicherten Wegstrecke verwaist.

Franziskus' dreitägige Visite ist der erste Türkei-Besuch eines Papstes seit acht Jahren. Am Samstag wird er in Istanbul die Hagia Sophia, eine ehemalige christlich-byzantinische Basilika, und die Blaue Moschee besuchen. Danach steht eine Begegnung mit dem ökumenischen Patriarchen und Ehrenoberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomaios I., auf dem Programm.

Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. hatte kurz vor seinem eigenen Türkei-Besuch im Jahr 2006 für Empörung gesorgt, als er einen byzantinischen Kaiser mit den Worten zitierte, Mohammed habe "nur Schlechtes" in die Welt gebracht und Gewalt gepredigt. Im Vergleich zu damals stand Franziskus' Reise unter versöhnlicheren Vorzeichen.

Der türkische Papstattentäter Mehmet Ali Agca hat unterdessen Franziskus vor dessen Besuch in der Türkei als "Feind Gottes" bezeichnet. Der Papst sei der "Botschafter des Satans" und "der größte Feind Allahs", sagte Agca laut türkischen Presseberichten vom Freitag. Agca kritisierte, er habe den Vatikan um ein Treffen mit Franziskus in der Türkei gebeten, aber keine Antwort erhalten. Jetzt wolle er auch nicht mehr mit dem Papst sprechen.