Die deutsche Bundesregierung geht gegen Männerbastionen in den Chefetagen deutscher Unternehmen vor. Ab 2016 soll für die Aufsichtsräte von Großunternehmen eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent gelten. Dies beschlossen die Koalitionsparteien CDU, SPD und CSU in der Nacht zu Mittwoch.

"Wir können es uns nicht leisten, auf die Kompetenzen der Frauen zu verzichten", begründete die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Neuregelung.

Über 100 Firmen betroffen

Das geplante Gesetz sieht Vorgaben vor, die je nach Unternehmensgröße abgestuft sind. Die feste 30-Prozent-Vorgabe betrifft nur die Aufsichtsräte von 108 großen Unternehmen mit Börsennotierung und voller Mitbestimmung. Auch sechs europarechtlich organisierte Konzerne fallen darunter. Sollte die Quote verfehlt werden, müssen Aufsichtsratsposten zur Strafe unbesetzt bleiben. Die Vorgabe gilt auch für öffentliche Unternehmen.

Mittelgroße Unternehmen müssen bis 2015 eigene Zielvorgaben für die Postenvergabe an Frauen im Aufsichtsrat, Vorstand und im Management aufstellen und 2017 erstmals über die Umsetzung öffentlich berichten. Sanktionen bei einem Verfehlen der Ziele sind nicht vorgesehen. Die Koalition hofft, dass öffentlicher Druck die betroffenen Unternehmen dazu bewegt, Frauen in Führungspositionen zu bringen.

Kulturwandel

Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) erwartet von der neuen Quotenregelung einen "Kulturwandel" in der deutschen Wirtschaft: "Sie wird unser Land noch moderner machen, weil es selbstverständlicher wird, dass Frauen auch Führungspositionen einnehmen." Kanzlerin Merkel lobte die Neuregelung in einer Rede im Bundestag.

Die Reaktion der CSU fiel verhaltener aus. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach von einem "vernünftigen Kompromiss". Es sei ihrer Partei gelungen, einige Regelungen zu "entschärfen". CSU-Vizechef Peter Ramsauer rief die Koalition auf n-tv dazu auf zu verhindern, dass sich "das zu einem bürokratischen Monstrum entwickelt".

Der Vereinbarung beim Treffen der Koalitionsspitzen am Dienstagabend war ein zunehmend scharf geführter Streit der Regierungspartner vorangegangen. Vor allem die CSU hatte darauf gedrängt, die Quotenregelung zu verschieben und Ausnahmen für bestimmte Unternehmen zu schaffen. Sie befürchtete eine zu große Belastung der Wirtschaft.

Bericht alle fünf Jahre

Mit diesen Forderungen konnten sich die Christsozialen aber nicht durchsetzen. Als Erfolg verbuchten sie, dass mittelgroße Firmen künftig nur alle fünf Jahre über die Umsetzung der Frauenquote berichten müssen, nicht alle drei Jahre, wie Schwesigs Entwurf zunächst vorsah. Außerdem kann die Frauenquote bezogen auf das gesamte Gremium - nicht getrennt nach Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern - errechnet werden, wenn beide Seiten dem zustimmen.

Die Oppositionsparteien Grüne und Linke kritisierten, dass die Quotenregelung nicht weit genug gehe. "Zunächst mal bin ich froh, dass es endlich kommt", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt auf n-tv. Es handle sich aber nur "um einen kleinen Schritt". Die Linken-Frauenpolitikerin Cornelia Möhring sprach von einem "Miniquötchen".

Industrie gegen Vorgaben

Die Wirtschaft bekräftigte ihre Kritik an dem Vorhaben. "Die deutsche Industrie sieht die geplante starre Quote für große börsennotierte Unternehmen nach wie vor kritisch", erklärte Holger Lösch von der Hauptgeschäftsführung des Bunds der Deutschen Industrie (BDI).

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes würdigte die Quotenregelung hingegen als "wichtigen Schritt". Als nächstes müsse der Gesetzgeber nun die "klaffende Entgeltlücke" zwischen Männern und Frauen angehen, forderte Behördenchefin Christine Lüders.