"Es ist schlicht inakzeptabel, dass Länder im 21. Jahrhundert versuchen, die Grenzen in Europa mit Gewalt neu zu ziehen, (...) weil sie nicht mit der Entscheidung ihres Nachbarlandes einverstanden sind", sagte Biden mit Blick auf den Streit zwischen Kiew und Moskau über den Westkurs der ukrainischen Regierung. "Russland wird einen hohen Preis dafür zahlen", drohte er bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Die USA und die EU haben harte Sanktionen gegen Russland verhängt.

Biden und Poroschenko sprachen sich für eine Fortsetzung des Minsker Gesprächsformats aus. An den Verhandlungen in der weißrussischen Hauptstadt sind neben der Ukraine, Russland und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch die Aufständischen beteiligt. Der wirtschaftlich angeschlagenen Ukraine sicherte Biden finanzielle Unterstützung der USA zu.

Am Jahrestag der prowestlichen Maidan-Proteste hatte Poroschenko das krisengeschüttelte Land zuvor zur Einigkeit aufgerufen. "Wir müssen zusammen stehen und uns mehr vertrauen", mahnte er am Freitag bei einem Treffen mit Aktivisten in Kiew, die von November 2013 bis zum Frühjahr auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in der Hauptstadt demonstriert hatten.

Am 21. November 2013 hatte der damalige prorussische Präsident Viktor Janukowitsch die geplante Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU überraschend abgesagt und sich stattdessen Moskau zugewandt. Der Schwenk löste wochenlange proeuropäische Proteste in Kiew aus, die im Februar zu gewaltsamen Straßenkämpfen führten, bei denen mehr als hundert Menschen getötet wurden. Janukowitsch floh schließlich nach Russland und wurde abgesetzt.

Poroschenko legte an einem Mahnmal im Zentrum Kiews einen Kranz in Erinnerung an die bei dem Aufstand Getöteten nieder. Wütende Angehörige der Opfer forderten lautstark Aufklärung über die Hintergründe der damaligen Gewalt bei den Kundgebungen. "Schande" und "Poroschenko, wo sind die Mörder?", riefen sie. Poroschenko kündigte später an, alle bei den Maidan-Protesten getöteten Menschen als "Helden der Ukraine" zu ehren. "Nur gemeinsam sind wir in der Lage, unser Land zu verbessern", sagte er bei seinem Treffen mit Maidan-Aktivisten.

Am Gedenken nahmen auch Ministerpräsident Arseni Jazenjuk und Biden teil. Biden sagte bei einem Gespräch mit Jazenjuk Agenturen zufolge, das ukrainische Volk habe mit den Maidan-Protesten "unglaublichen Mut" bewiesen. Er versprach Unterstützung Washingtons für Kiew. Jazenjuk, der voraussichtlich als Regierungschef im Amt bleibt, berichtete Biden von den Fortschritten der Regierungsbildung.