Seine landesweit übertragene Rede kam einer Kampfansage an die Republikaner gleich, die ab Jänner beide Kammern des Kongresses kontrollieren und gegen die Pläne Sturm laufen. Sie warfen dem Präsidenten vor, wie ein Kaiser zu agieren und de facto Gesetzesbrechern scharenweise Amnestie zu gewähren.

Daher brachten sie gegen die Obama-Regierung Klagen wegen Überschreitung ihrer Amtsbefugnisse ein. Gegenstand der am Freitag bei einem Bundesgericht in der Hauptstadt Washington eingereichten Klage sind "verfassungswidrige und ungesetzliche" Änderungen von Teilen der umstrittenen Gesundheitsreform ("Obamacare").

Formell Beklagte sind Obamas Finanzminister Jack Lew und Gesundheitsministerin Sylvia Burwell. "Immer wieder hat der Präsident entschieden, den Willen des amerikanischen Volkes zu ignorieren und Bundesgesetze im Alleingang ohne eine Abstimmung im Kongress umzuschreiben", erklärte der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner. "Das Repräsentantenhaus hat die Pflicht, sich für die Verfassung einzusetzen, und das ist genau das, was wir mit unserem Handeln verfolgen."

Obama wies die Vorwürfe zurück. "Unser Einwanderungssystem ist kaputt, und jeder weiß das." Es gehe besonders darum, Familien davor zu bewahren, auseinandergerissen zu werden. "Ich habe den Kummer und die Angst von Kindern gesehen, denen die Mütter vielleicht weggenommen werden, nur weil sie nicht die richtigen Papiere hatten", sagte Obama. Er habe Anläufe zu einer umfassenden Reform unternommen, doch die Republikaner im Kongress hätten diese verhindert. Da das Parlament selbst kein Einwanderungsgesetz zustande bringe, greife er zu einem Mittel, das viele Präsidenten vor ihm nutzten: die Executive Order. Mit ihr kann das Staatsoberhaupt unter Umgehung des Kongresses politische Vorhaben in begrenztem Maße anordnen.

Obama bietet nun Einwanderern ohne Aufenthaltsgenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen einen Weg aus der Illegalität an: Sie müssen seit mindestens fünf Jahren im Land sein und Kinder haben, die US-Bürger sind oder sich legal dauerhaft im Land aufhalten. Außerdem dürfen sie nicht straffällig geworden sein und müssen bereit sein, Steuern zu zahlen. Treffe dies zu, könnten sich Betroffene um ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht bewerben - ohne Angst vor einer Abschiebung. "Sie können aus dem Schatten treten und mit dem Gesetz ins Reine kommen", sagte Obama. Auch die Hürden für Fachkräfte, Unternehmer und Hochschulabsolventen sollen gesenkt werden. Gleichzeitig kündigte er eine Verstärkung der Grenzwächter an, um illegale Einwanderung zu unterbinden.

Etwa 4,7 Millionen nicht registrierte Einwanderer könnten von der Maßnahmen profitieren. Die Reaktionen fielen dennoch gemischt aus. Die 25-jährige Mexikanerin Blanca Gamez vergoss Freudentränen auf einer Party in Las Vegas. "Das wird unser Leben vollkommen verändern." Vor dem Weißen Haus in Washington skandierte eine Gruppe auf Spanisch Obamas Wahlspruch von 2008 "Si se puede" - "Yes we can" und stimmte die US-amerikanische Nationalhymne an. Andere gaben sich jedoch skeptisch. Ein neuer Präsident könne Obamas Anordnung zurücknehmen, sagte etwa Norma Martinez. "Und was passiert dann?" Die letzte große Anpassung der Einwanderungsgesetze wurde 1986 vom damaligen republikanischen Präsidenten Ronald Reagan in Kraft gesetzt.

Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, kritisierte Obama scharf: "Der Präsident hat gesagt, er sei kein König und er sei kein Kaiser. Aber er handelt wie einer." Einflussreiche Abgeordnete wie Michael McCaul drohten, alle Mittel zu nützen, um Obama zu stoppen. Im Raum steht die Drohung, das nächste Budget nur zu billigen, wenn er explizit eine Finanzierung der Einwanderungspläne verbietet. Im Extremfall könnte das bedeuten, dass es wie vor einem Jahr zu einem Regierungsstillstand kommt, weil die Finanzlage nicht rechtzeitig geregelt ist.

Ein sogenannter Government Shutdown ist auch unter den Republikanern umstritten. Der 16-tägige Stillstand vor einem Jahr kostete die Partei viele Sympathien. Entsprechend pochten vor allem Republikaner, die als potenzielle Anwärter auf eine Präsidentschaftskandidatur 2016 gelten, auf Kompromisse. Die führenden Republikaner im Kongress müssten jetzt zeigen, dass sie die Basis für einen breiten Konsens schaffen könnten, forderte etwa Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush, der Bruder von Obamas Vorgänger George W. Bush.

Einwanderung dürfte eines der großen Wahlkampfthemen werden. Vor allem für Demokraten sind die Stimmen der rasant wachsenden Bevölkerungsgruppe mit lateinamerikanischen Wurzeln wichtig. Obama sicherten sie die Wahlsiege 2008 und 2012. Seine Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die Hoffnungsträgerin zahlreicher Demokraten, unterstützte denn auch öffentlich Obamas Plan. Aber der Kongress müsse "die Arbeit jetzt zu Ende bringen", sagte Clinton, die sich zu aktuellen politischen Themen zuletzt stark zurückgehalten hatte.

Auf Zustimmung stießen Obamas Pläne bei Menschenrechtsgruppen und bei Regierungen in Lateinamerika. Von den Maßnahmen könne eine bedeutende Zahl von Mexikanern in den USA profitieren, so das mexikanische Außenministerium. Guatemalas Präsident Otto Perez erklärte, die Maßnahmen hätten seine Unterstützung. Das Außenministerium von El Salvador sprach von vorläufigen Erleichterungen.