Greenpeace will am Montag geheime Unterlagen zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU veröffentlichen. Auf der Internetkonferenz re:publica in Berlin präsentiert die Umweltschutzorganisation ab 11 Uhr eine Analyse der Dokumente. Zeitgleich will Greenpeace Niederlande die TTIP-Dokumente vollständig im Internet zugänglich machen.

Geheime Verhandlungsdokumente

"Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR berichteten, aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente gehe hervor, dass die US-Regierung Europa bei den Verhandlungen deutlich stärker unter Druck setze als bisher bekannt. Greenpeace hatte den Medien insgesamt 240 Seiten zur Verfügung gestellt. Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen hätten demnach bestätigt, dass es sich bei den vorliegenden Dokumenten um aktuelle Papiere handelt.

Nach Angaben der französischen Zeitung "Le Monde" stammen zumindest einige der Dokumente aus dem März. Greenpeace berichtete im Voraus, die Unterlagen zeigten, dass Europa durch das Abkommen deutlich schwächere Umweltstandards drohten.

Vorsorgeprinzip und Risikoprinzip

Das bis jetzt in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das Produkte nur erlaubt, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind, drohe durch das in den USA angewandte Risikoprinzip ersetzt zu werden. Dadurch dürften in Europa auch hoch umstrittene und bisher in vielen Ländern nicht zugelassene genmanipulierte Pflanzen und Lebensmittel so lange angebaut und konsumiert werden, bis ihre Schädlichkeit nachgewiesen sei. Europa dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder Genfood häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es dagegen oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind. Unklar ist derzeit, ob dabei nur Forderungen oder der Stand der Verhandlungen wiedergegeben werden.

Die Verhandlungen sind geheim, allerdings muss die EU-Kommission am Schluss ein Ergebnis vorlegen, dass mehrheitsfähig ist. Wenn das EU-Parlament und die Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten ihm nicht zustimmen, wird es kein Freihandelsabkommen mit den USA geben.

USA sollen EU angeblich drohen

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Greenpeace-Österreich-Geschäftsführer Alexander Egit erklärte, "unsere schlimmsten Befürchtungen beim Handelspakt TTIP haben sich bestätigt". Mit dem fertig verhandelten EU-kanadischen Handelspakt CETA drohe aber schon jetzt ein "TTIP durch die Hintertür". 42.000 US-Unternehmen und viele europäische Konzerne hätten Niederlassungen in Kanada und könnten europäische Staaten dann über die im CETA-Vertrag vorgesehenen Paralleljustiz auch ohne TTIP klagen. "Die Bundesregierung muss im Sinne der 70 Prozent der Menschen in Österreich, die TTIP und CETA ablehnen, sofort die Notbremse ziehen und gemeinsam ein Veto gegen beide Handelspakte einlegen", so Egit in einer Pressemitteilung.

Knapp 250 Seiten

Die vorliegenden 13 Kapitel stellen mit knapp 250 Seiten etwa die Hälfte des gesamten Abkommens und zeigen den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde. Bisher dürfe der Verhandlungstext nur von Parlamentariern und anderen ausgewählten Personen unter erheblichen Einschränkungen eingesehen werden. Es dürfen keine Kopien angefertigt werden, und es besteht Schweigepflicht. "Diese Dokumente sind kein Betriebsgeheimnis, sie würden das Leben von über einer halbe Milliarde Menschen alleine in Europa verändern. Alle Verhandlungsdokumente gehören öffentlich gemacht", fordert Egit.

Mit der Veröffentlichung der TTIP-Unterlagen würden die Bürger erstmals ungefiltert Einblick in die Verhandlungen zwischen USA und Europa erhalten, schreibt die "Süddeutsche Zeitung" weiter. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA auf Geheimhaltung ihrer Positionen.